Zum Inhalt springen

Sommerserie «Espresso H2Ohhh!» Der Seeboden zeigt die Vergangenheit und die Zukunft

In Sedimentkernen von Seen lässt sich Jahrhunderte zurückschauen und auch erkennen, was die Umwelt in Zukunft belastet.

Forscher der Eawag, des Wasserforschungsinstituts des ETH-Bereichs, befahren mit ihren Booten regelmässig Seen im In- und Ausland, um sogenannte Sedimentkerne heraufzuholen. In rund einem Meter Seeboden können die Forscher hunderte Jahre in die Vergangenheit schauen und genau bestimmen, wann der Mensch die Umwelt am meisten belastet hat.

Die obersten Schichten zeigen jedoch auch, was uns in Zukunft besonders beschäftigen wird: Mikroplastik.

An einem schönen Sommertag fährt Nathalie Dubois, Mitarbeiterin des Wasserforschungsinstituts Eawag, mit zwei Gehilfen auf den Greifensee. Dank einer Sonderbewilligung mit einem Motorboot. Das Ziel: Die Mitte des Sees, wo er am tiefsten ist. Hier haben sich die Sedimente schön gerade angesammelt, ohne Rutschungen oder Ähnliches.

In 30 Metern Tiefe wird der Sedimentkern gezogen

Um an eine Probe zu kommen, haben Eawag-Forschende eigens einen Apparat entwickelt, der ein bisschen an eine Rakete erinnert. Dieser Kernbohrer mit einer Röhre wird an einer Winde am Boot befestigt und mittels Kurbel 30 Meter zum Seeboden heruntergelassen. Dort bohrt er sich in den Grund. Herauf kommt ein etwa einen Meter langes Stück Sediment: Der Sedimentkern.

Es sind hunderte solcher Kerne, die die Eawag im Laufe der Jahre gezogen hat. Sie stammen aus den Schweizer Seen, aber zum Beispiel auch aus Alaska, und lagern grösstenteils im Kühlraum eines Eawag-Gebäudes in Dübendorf. Bei vier Grad herrschen Bedingungen, wie sie auf dem Grund jedes Sees normalerweise vorkommen. So können die Kerne auch nach Jahren noch untersucht und verglichen werden.

Algen haben die oberste Schicht schwarz gefärbt

Nathalie Dubois schneidet den frischen Kern aus dem Greifensee mit einem Apparat auf, den ebenfalls die Eawag entwickelt hat: Eine Fahrradkette mit einem Messer dran. Sorgfältig teilt die Forscherin den Kern in zwei Hälften und auf den ersten Blick handelt es sich einfach um eine graue Masse aus Schlamm.

So haben Sie Wasser noch nie gehört

Box aufklappen Box zuklappen

In der «Espresso»-Sommerserie gibt's jeden Freitag eine spannende Reportage rund ums Thema Wasser. Klicken Sie rein!

Beim zweiten Hinsehen fällt jedoch auf: Die oberste Schicht ist eher schwarz. Hier hat der Mensch in den letzten knapp 100 Jahren seine Spuren hinterlassen. Dünger aus der Landwirtschaft und Phosphor aus Waschmittel haben für zu viele Algenblüten gesorgt. Dieses organische Material zeigt sich nun als schwarze Schicht.

Umweltsünden des Menschen bleiben im Sediment erhalten

Schaut man sich den Sedimentkern noch genauer an, fallen «Jahrringe» auf. Im Winter gibt es generell mehr Niederschlag und damit auch mehr Material im See als im Sommer – so kann das Alter der Schichten genau bestimmt werden. Eine grössere braune Schicht identifiziert Nathalie Dubois schnell als Flut, welche sich vor rund 200 Jahren im Greifensee ereignet hat.

Von Auge nicht sichtbar sind andere Spuren. Solche, die der Mensch in den letzten Jahrzehnten mit Flammschutzmittel, bleihaltigem Benzin oder Pestiziden hinterlassen hat. Sie sind alle unter dem Mikroskop oder mit chemischen Analysen im Sediment des Greifensees nachweisbar.

Überraschend der Fund eines in der Schweiz seit langem verbotenen Fungizids. Dieses gelangt nach wie vor über importierte Zitrusfrüchte in den See, wenn Konsumenten diese waschen, oder auch nur die Hände waschen, nachdem sie die Früchte gegessen haben.

Mikroplastik in den Seen wird uns noch lange beschäftigen

Aktuell bereitet jedoch den Forschern der Eawag die oberste Schicht des Sedimentkerns die grössten Sorgen. Immer mehr Mikroplastik sammelt sich auf dem Seegrund an. Mikroplastik stammt vor allem aus Kosmetika, Zahnpasten oder Duschgels.

Plastik ist sehr schwer abbaubar und wird die Umwelt noch lange belasten. Auch wenn Kläranlagen laut einer Studie Mikroplastik für das Trinkwasser herausfiltern, sehen die Eawag-Forscher darin das grösste Problem der Zukunft.

Meistgelesene Artikel