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Unterwegs mit der Nachtschicht Zeitungen austragen – harter Job mit schönen Seiten

Tausende Zeitungsverträger sind Nacht für Nacht und bei Wind und Wetter unterwegs. Eine davon ist Susanna Bosshard.

Mitten in der Nacht, um drei Uhr, wenn die meisten anderen Leute tief schlummern, bricht sie zuhause in Winterthur-Töss zu ihren Zeitungstouren auf. Susanna Bosshard – 57, verheiratet und Mutter zweier erwachsener Söhne – verteilt von Montag bis Samstag den «Landboten», den «Tages-Anzeiger», die «NZZ» und den «Blick». Manchmal sind es rund 60, manchmal – bei Grossauflage – bis zu 400 Zeitungen. Das sei schon nahrhaft, erzählt sie dem SRF-Konsumentenmagazin «Espresso» während einer Tour.

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Garstiges Wetter, tiefe Löhne, ungewisse Zukunft

Zu den mühsamen Seiten dieses Jobs zählt sicher das bisweilen garstige Wetter. Letzten Winter zum Beispiel, als auch Winterthur im Schnee versunken war, sei sie kaum durchgekommen und mehrfach ausgerutscht. Es sei auch kein Job, mit dem man reich werden könne. Der Stundenlohn liegt bei um die 20 Franken, man arbeitet jeweils zwei, drei Stunden pro Nacht. Für viele sei es deshalb nur ein Zweitjob, um den Lohn aufzubessern, erklärt die Zeitungsverträgerin.

Immer weniger Leute lesen Zeitung noch ganz klassisch auf Papier. Da hat man schon Angst um den Job.
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Für sie ist es die einzige Einnahmequelle. Mit der IV-Rente ihres Mannes könne man sich so knapp über Wasser halten. Man mache aber Abstriche: Eine Ferienreise oder Restaurantbesuche zum Beispiel lägen nicht drin.

Sorgen bereitet ihr auch die Zukunft: Immer weniger Leute lesen Zeitung noch ganz klassisch auf Papier: «Da hat man schon Angst um den Job.» Allein auf ihrer Stammtour sei die Zahl der Abonnentinnen und Abonnenten im Laufe der vergangenen zehn Jahre um 40 Prozent gesunken.

Mir flog das Leben um die Ohren.
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Stellt sich die Frage, warum die zweifache Mutter diese Arbeit macht. Susanna Bosshard arbeitete bis vor etwas mehr als zehn Jahren in Restaurantküchen und im Verkauf. Eines Tages habe sie den Stress und den Druck dort nicht mehr ertragen. Die Folge: Burnout. «Mir flog das Leben um die Ohren.» Zeitungen auszutragen sei noch einer der wenigen Jobs, der für Menschen in ihrer Situation und in ihrem Alter übrigbleibe. Und sie sei froh darum: «Man hat eine Struktur und fühlt sich gebraucht.»

Ein Vorteil dieser Arbeit: Man könne sie sich relativ frei einteilen, um 6.30 Uhr müsse aber die letzte Zeitung verteilt sein. Dies die Auflage der Frühzusteller-Firma Presto – eine Post-Tochter – für die Susanna Bosshard im Einsatz ist.

Ich geniesse die Ruhe.
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Die Verträgerin zählt aber noch weitere Vorteile auf: Tierische Begegnungen mit Katzen, Füchsen oder Rehen, der Duft mancher Blumen in den Gärten und – vor allem – die nächtliche Stille der Stadt: «Das geniesse ich.»

Espresso, 30.07.21, 08:13 Uhr

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