Schon in den 1930er-Jahren wurden in der Schweiz grosse Fussballstadien gebaut, die die heutigen Dimensionen weit übersteigen. So fasste das Wankdorf in Bern damals 65‘000 Zuschauer. Es war die erste von drei Wellen, in die man die Geschichte der Schweizer Fussballstadien einteilen kann.
Philippe Guggisberg ist Medienchef der Swiss Football League SLF. Er verfasste an der Uni Bern eine Masterarbeit über die Entwicklung des Schweizer Profifussballs, insbesondere der Stadioninfrastruktur. Guggisberg nennt die Fussball-WM von 1954 in der Schweiz als zweite grosse Welle.
Millionen wurden in Umbauten und Erweiterungen investiert. Die Spiele fanden in folgenden Stadien statt: Wankdorf Bern, St.Jakob Basel, Charmilles Genf, Pontaise Lausanne, Cornaredo Lugano und Hardturm Zürich.
Die dritte und bislang letzte Welle wurde durch die Euro 08 ausgelöst, der Europameisterschaft im eigenen Land. Zunächst wurde 2001 in Basel das alte St.Jakob-Stadion – das «Joggeli» – neu aufgebaut. Auch Bern und Genf erhielten neue Stadien. Der Neubau des Hardturms scheiterte, stattdessen wurde das Letzigrund aufgerüstet. Nach der Euro 08 entstanden weitere neue Arenen in St.Gallen, Thun und zuletzt Luzern.
Mehr Komfort, mehr Familien, mehr Frauen
Die neuen, geschlossenen Fussballarenen haben nicht mehr viel gemeinsam mit den alten Stadien aus Beton und Stahl. Statt auf Holzbänken sitzt man auf Schalensitzen, Stehplätze gibt es viel weniger. Die Zuschauer sitzen unter gedeckten Tribünen und rund um das Stadion sind genügend Toiletten verteilt.
Swisspor Arena:
Die sanitären Einrichtungen genügten früher den Anforderungen bei weitem nicht. Auch die Zeit der alten und von Hand bedienten Totomat-Tafeln ist vorbei. Heute wird der Zuschauer auf riesigen Bildschirmen über die Mannschaftsaufstellungen und Spielstatistiken informiert und mit Wiederholungen von spannenden Spielszenen verwöhnt.
Den Verantwortlichen fällt auf: Überall, wo neue Arenen gebaut werden, steigt der Anteil der Frauen und Familien unter den Zuschauern an. Angestiegen sind aber auch die Preise: Zahlte man 1978 noch durchschnittlich acht Franken für einen Stehplatz, sind die günstigsten Tickets heute um 25 Franken zu haben.
Schweizer Spezialität «Mantelnutzung»
Das Wort Mantelnutzung hat sich in der Neuzeit des Schweizer Fussballstadionbaus fest etabliert. Es bedeutet, dass die Investoren ein Einkaufszentrum oder einen Wohnblock in den Erneuerungsbau integrieren. Diese gewinnbringenden Einrichtungen machen den Bau von neuen Stadien erst möglich.
Allerdings entstehen mit dieser in der Schweiz typischen Finanzierungsform neue Nutzungskonflikte zwischen verschiedenen Konsumentengruppen. Philippe Guggisberg, Medienchef der Swiss Football League: «Häufig, und mit liberalisierten Öffnungszeiten noch häufiger, kreuzen sich Besucher der Einkaufszentren mit Besuchern des Fussballspiels. Das stellt uns logistisch und wegen der Sicherheit vor Probleme.»