In der Schweiz herrscht eine blühende Braukultur: In den vergangenen zehn Jahren hat sich die Zahl der registrierten Brauereien vervielfacht auf weit über 400. Vor allem die Zahl der kleinen und mittelgrossen Brauereien hat stark zugenommen. Eine Entwicklung, die sich auch im Konsum niederschlägt. «Der Konsument entdeckt das Bier», sagt Marcel Kreber, Direktor des Schweizer Brauerei-Verbandes. Er findet diese Entwicklung «hervorragend». Denn jeder Hobbybrauer helfe in seiner Region das Bierverständnis zu schärfen.
Immer die gleichen Biere
Aus manchem Hobbybrauer ist über die Jahre allerdings eine ernstzunehmende Kleinstbrauerei geworden. Sie stellen Produkte her – oft Spezialitäten – die sich ohne weiteres auch in einem Lokal verkaufen liessen. Wer jedoch in der Beiz nach Spezialitäten fragt, wird nicht selten enttäuscht. Immer die gleichen Biere von den immer gleichen Marken.
Ein Grund für diese Situation sind sogenannte Lieferverträge. Das sind Abmachungen zwischen der Brauerei und dem Lokal, in welchem ihr Bier ausgeschenkt wird. Häufig finanziert eine Brauerei die Schankanlage mit den Zapfhähnen – manchmal auch Sonnenschirme, Biergläser oder ähnliches. Als Gegenleistung muss die Beiz der Brauerei über eine gewisse Zeitspanne Bier abnehmen. Wer investiert, soll schliesslich auch etwas dafür haben.
Fragwürdige Ausgestaltung der Verträge
Dennoch sind Lieferverträge immer wieder in der Kritik. Schon lange setzt sich etwa der Basler Wirteverband für fairere Vertragsbedingungen ein. Insbesondere stört man sich dort an Exklusivklauseln, die gewisse Brauereien in ihre Verträge schreiben. «Man bekennt sich zwar immer gerne zu einer vielfältigen Bierkultur», ärgert sich Maurus Ebneter vom Verbandsvorstand. «Wenn es dann aber konkret wird, vereinbart man doch lieber eine Exklusivklausel, damit der Wirt nicht noch Biere anderer Brauereien führen kann.»
Zu spüren bekommt das Beispielsweise Tom Strickler. Der Mikrobrauer aus Billikon (ZH) hat sich vor kurzem mit seiner Brauerei «Storm & Anchor» selbständig gemacht und versucht nun in der Gastronomie Fuss zu fassen. «Da wurde uns auch schon gesagt: ‹Sorry, wir dürfen nur ein Bier anbieten›».
Feldschlösschen erwartet «gewisse Sortimentsbreite»
Die grossen Brauereien, welche die kleinen mit solchen Verträgen bewusst vom Markt fernhalten? Marcel Kreber vom Brauerei-Verband sieht das nicht so: «Wir bewegen uns in einem Umfeld mit starkem Wettbewerb. Entsprechend hoch ist der Druck.» Da sei es klar, dass eine Brauerei eine Absicherung wolle, wenn sie sich irgendwo engagiere.
Ähnlich argumentiert Feldschlösschen, die führende Brauerei der Schweiz. 25‘000 Kunden in Gastronomie und Detailhandel haben mit ihr einen Vertrag. Wie viele dieser Verträge mit einer Exklusivklausel versehen sind, gibt das Unternehmen auf Anfrage nicht bekannt. Sprecherin Gabriela Gerber betont, jeder Vertrag sei individuell – und längst nicht mit allen Kunden sei eine solche Klausel vereinbart: «Im Prinzip kann man sagen: Je mehr Unterstützungsmassnahmen ein Kunde von uns möchte, desto mehr erwarten wir eine gewisse Sortimentsbreite.»
Exklusivklausel im Standardvertrag
«Espresso» liegt ein Vertrag zwischen Feldschlösschen und einem Lokal im Grossraum Zürich vor. Der Vertrag stammt aus dem Jahr 2011. Der heutige Inhaber – er möchte anonym bleiben – ist seit Anfang Jahr auf dem Lokal. Er musste den Vertrag aufgrund der fünfjährigen Laufzeit vom Vorgänger übernehmen. «Die Vereinbarung besagt, dass wir ausschliesslich Bier aus dem Feldschlösschen-Sortiment anbieten dürfen.» Als Gegenleistung gibt es von Feldschlösschen eine Rückvergütung, eine Art Rabatt. «Das machen allerdings alle Brauereien so – insofern handelt es sich um einen Vertrag ohne Gegenleistung.»
Feldschlösschen hatte Jahre vor 2011 im entsprechenden Lokal eine Schankanlage eingebaut und Aussenwerbung finanziert. Kosten insgesamt: rund 5000 Franken. Diese seien jedoch längst abbezahlt, sagt der Inhaber. Ausserdem sind solche Investitionen nicht aussergewöhnlich bei Lieferverträgen. Für Feldschlösschen reicht es offenbar für eine Exklusivklausel.
«Auch ein Preisnachlass ist eine Leistung»
Feldschlösschen-Sprecherin Gabriela Gerber erwidert auf die Vorwürfe, man dürfe einen Preisnachlass nicht als Null-Leistung bezeichnen. «Wir bringen uns damit in das Restaurant ein und helfen dem Wirt, erfolgreich zu sein. Natürlich sind wir in solchen Fällen auch daran interessiert, dass er aus unserer Produktepalette möglichst viel bezieht.»
Es geht auch anders
Unternehmerische Interessen verfolgt jede Brauerei. Dennoch geht es auch ohne Exklusivklausel. Das zeigt das Beispiel der Brauerei Locher in Appenzell («Quöllfrisch»). «Espresso» liegt ein vergleichbarer Vertrag vor. Auch diese Brauerei finanzierte eine Ausschankanlage und gewährt eine Rückvergütung. Als Gegenleistung muss der Beizer das offene Bier von Locher beziehen und auch einen Teil des Flaschenbiers. Beim Rest kann der Beizer jedoch frei entscheiden, welche Biere er anbieten will. Bleibt also auch Platz für einige lokale Spezialitäten des einen oder anderen Kleinbrauers.