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Fiese Masche Dubioser Streamingdienst will Geld von Eltern

Die Verantwortlichen betreiben unzählige, identisch aussehende Webseiten und locken damit Konsumenten in die Abofalle.

Das Wichtigste in Kürze

  • Eine Betrugsmasche, die in Deutschland bereits für Schlagzeilen gesorgt hat, ist in der Schweiz angekommen: Dubiose Streamingdienste, die Konsumenten in die Abofalle locken.
  • Wer sich auf einer solchen Seite registriert, wird nach einer fünftägigen, kostenlosen Testphase automatisch zum «Premium»-Kunden – und soll auf einen Schlag die Jahresgebühr von fast 360 Euro bezahlen.
  • Besonders dreist: Das Unternehmen setzt auch Eltern unter Druck, deren minderjährige Kinder sich ohne ihr Wissen für den Dienst registriert haben.
  • Im Internet finden sich Videos angeblicher Anwälte, die behaupten, es sei alles rechtmässig und Konsumenten müssten bezahlen. Laut dem deutschen Marktwächter-Team stammen diese Videos von den Verantwortlichen der Streaming-Dienste selber.

«Wenn Sie Kinofilme genauso mögen wie wir, dann sind Sie bei uns an der richtigen Adresse» – so stellt sich der vermeintliche Video-Streamingdienst Segastream.de im Internet vor. Allerdings handelt es sich um nichts anderes als um eine Abofalle: Wer sich bei Segastream registriert, kann gemäss den Nutzungsbedingungen den Dienst zunächst fünf Tage kostenlos nutzen.

Wer innerhalb dieser fünf Tage nicht kündigt, wird automatisch zum «Premium»-Nutzer und soll auf einen Schlag rund 360 Euro zahlen.

Passiert ist das auch der 16-jährigen Tochter von «Espresso»-Hörerin Daniela B. Sie hat sich registriert – ohne Wissen der Eltern. Nach Ablauf der Testphase kam prompt eine Nachricht: Der ausstehende Betrag für das Jahresabo sei innerhalb von drei Arbeitstagen zu begleichen.

«Bei Nichtbezahlung innerhalb der Ihnen gewährten Zahlungsfrist sind wir gezwungen, die Informationen über die nicht bezahlte Rechnung an unseren Anwalt […] weiterzugeben. Danach erhalten Sie von uns ein offizielles Schreiben an Ihre Adresse.»

Eltern sollen Kosten übernehmen

Daniela B. wehrt sich per Mail beim Unternehmen. Sie ist der Meinung, dass der Vertrag ungültig ist, weil ihre Tochter minderjährig ist und keine Zustimmung der Eltern hatte.

Die Antwort des Unternehmens folgt kurze Zeit später. Wobei es sich lediglich um einen Auszug aus den Nutzungsbedingungen handelt. Darin steht, die Eltern müssten bei der Registrierung anwesend sein. Und falls sich Minderjährige ohne Wissen und ohne Beisein der Eltern registrieren, «wird die Verantwortung von seinen Eltern […] getragen».

Und weiter heisst es: «Auch wenn der Unmündige nicht in der Lage ist, den Premium-Zugriff für seinen Nutzeraccount zu bezahlen, sind die Eltern oder die Vormunde dazu verpflichtet, diese Unkosten zu decken.»

«Diese Klausel ist unwirksam und dumm»

Für den Vertragsrechts-Experten Frédéric Krauskopf von der Universität Bern ist der Fall klar: «Diese Klausel ist nicht nur unwirksam, sie ist schlicht dumm», sagt er gegenüber dem SRF-Konsumentenmagazin «Espresso». Soweit die Eltern am Abschluss des Vertrages nicht beteiligt seien, könnten sie auch nicht für Kosten haftbar gemacht werden.

Schliesslich sei es Sache des Anbieters dafür zu sorgen, dass Minderjährige nicht zum Vertragsabschluss gelangen könnten. Dabei reiche es nicht, nur nach dem Alter zu fragen oder in den Geschäftsbedingungen die elterliche Zustimmung zu fordern.

Filme ohne Lizenz im Angebot

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Neben dem Ärger für Konsumentinnen und Konsumenten zeigt sich noch ein anderes Problem bei Segastream: Für mindestens einen Teil der angebotenen Filme scheint das Unternehmen gar keine Lizenz zu haben. Franz Woodtli vom Filmunternehmen Constantin Film sagt gegenüber SRF, für die Filmproduktion «THE BFG – Big Friendly Giant» aus dem Hause Dreamworks, habe Constantin Film keine Lizenz an die Plattform vergeben. «Unsere Rechtsabteilung wird den Tatbestand vertieft prüfen.»

Mehr als 150 entsprechende Webseiten

In Deutschland haben Konsumentenschützer um das Marktwächter-Team der Verbraucherzentrale Rheinland-Pfalz schon über diese Masche berichtet. Gemäss diesen Informationen handelt es sich um ein ganzes Netzwerk von Betrügern, das diese Masche mittlerweile schon mit mehr als 150 Webseiten abgezogen hat. Betroffen seien häufig Minderjährige. Sie gelangten häufig über ein Pop-up-Fenster auf eine der Webseiten. In vielen Fällen habe man nach der Registrierung aber gar keine Filme oder Serien streamen können. Auch die Tochter von Daniela B. konnte den gewünschten Film nicht schauen.

Die Verantwortlichen würden überdies mit selbsterstellten Videos Falschinformationen verbreiten, sagt das Marktwächter-Team. Tatsächlich finden sich auch zu Segastream entsprechende Videos, in welchen angebliche Anwälte behaupten, die Verträge seien gültig.

Die «Espresso»-Redaktion hat Segastream um eine Stellungnahme gebeten. Das Unternehmen hat darauf nicht reagiert. Und ebenso sollten es Betroffene machen, die von diesem Unternehmen unter Druck gesetzt werden: Nicht reagieren und Einschüchterungsversuche ignorieren.

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