Urs Keller liegt im Streit mit der Intrum Justitia. Intrum Justitia treibt für Firmen Schulden ein. In Kellers Fall für die Cablecom.
Cablecom will von Keller Geld für den Fernsehanschluss. Aber Keller hat in seiner Wohnung weder einen Fernseher noch einen Anschluss. „Zuerst habe ich gedacht, es sei ein Fehler, eine Verwechslung, jemand anders im Haus. Ich habe auch die Nachbarn gefragt, es hat im Haus anscheinend nur eine Person einen Fernseher. Es kam mir damals schon komisch vor", sagt Keller.
Cablecom ist der grösste Kabelnetz-Betreiber der Schweiz. Cablecom verschickt oft falsche Rechnungen. Die Rechnung für Keller war auch falsch. Cablecom entschuldigt sich: „Bei Herrn Keller ist uns ein Fehler passiert. Wir hatten letztes Jahr in der Schweiz 60000 Inkassofälle davon gingen 15000 in die Betreibung. Darunter hat es sicher den einen oder andern Fehler. Und der Herr Keller gehört dazu. Wir entschuldigen uns in aller Form", sagt Martin Wüthrich von der Cablecom. Keller ist unschuldig, der Fall scheint abgeschlossen. Doch Irrtum - er beginnt erst:
Profile in Sekundenschnelle, auch falsche
Justitia Inkasso treibt nicht nur Schulden ein. Leute wie Keller registriert sie – ohne dass sie es wissen - in einer riesigen Sündendatenbank. Urs Keller hat jetzt eine Fiche. Allerdings mit falschen Daten: Unter "Vorrechtliche Inkassodaten" darf nichts stehen. Bei Keller tauchen nun Einträge auf. Auch die Geldforderung stimmt nicht. Noch schlimmer: Intrum Justitia verkauft diese - falschen – Informationen weiter an die Orell Füssli Wirtschaftsinformationen. Damit sind Kellers falsche Daten auch in der Datenbank Teledata.
Hier sammeln Mitarbeiter Informationen über die wirtschaftliche Betätigung und Zahlungsfähigkeit von Firmen und Privatpersonen. In Sekundenschnelle entstehen Profile über Personen wie Urs Keller. Kunden können abfragen, ob jemand pünktlich zahlt. Das nutzen vor allem Banken, Post, Versicherungen aber auch Leasingfirmen, die SBB oder Vermieter. Wer hier einen negativen Eintrag hat, hat ein Problem. Urs Keller hat dieses Problem. Doch davon weiss er nichts. Orell Füssli Wirtschaftsinformationen schreiben dazu:
Praktiksch alle sind irgendwo registriert
Bei Intrum Justitia im zürcherischen Schwerzenbach sind sechs Millionen Privatpersonen und Firmen registriert. Intrum Justitia verkauft Daten zur Zahlungsmoral von Konsumenten. Intrum rühmt sich, Millionen Negativdaten zu besitzen. Nicht nur Intrum Justitia speichert Daten.
Schweizer Konsumentinnen und Konsumenten – praktisch alle sind irgendwo registriert – doch kaum jemand weiss davon. Das Gesetz erlaubt, diese Daten ohne die Einwilligung der Konsumenten zu bearbeiten und interessierten Dritten bekannt zu geben. Etwa Banken und der Post, Reisebüros, Autoverkäufer, Handyverkäufer oder Vermieter. Inkassobüros führen oft selber ein Sündenregister über die Kreditwürdigkeit der Konsumenten.
Sie arbeiten eng mit Auskunfteien und anderen Datenbanken zusammen und tauschen gegenseitig Angaben der Konsumenten aus. Die Creditreform gehört zu den führenden Datenbanken. Creditreform hat 1,4 Millionen Personen gespeichert. 120 000 Mitglieder und Kunden holen sich hier Informationen.Raoul Egeli vom Verband Creditreform sagt: „Heute brauchen eigentlich alle die Dienstleistungen. Bei uns, bei der Gläubigerschutzorganisation, wo man Mitglied ist, gibt es Firmen, zum Beispiel Webshops, die automatisch Systemanbindungen haben. Es hat Leasingfirmen, aber auch Unternehmer, zum Beispiel Schreiner: Die wollen wissen, wie die Bonität ist, damit sie ihre Rechnung auch bezahlt erhalten.“ Wenn man bei jemandem sehe, dass Zahlungsengpässe vorhanden seien, dann erhalte dieser die Ware nur noch per Barzahlung oder per Nachnahme.Gut, wenn es korrekt läuft. Urs Keller hat alles unternommen, um die Intrum Justitia von seiner Unschuld zu überzeugen. Trotzdem hat er jetzt sogar eine Betreibung am Hals und fürchtet die Folgen.
Verstoss gegen das Datenschutzgesetz
„Ich habe mir dann schon auch überlegt, wenn ich jetzt eine neue Wohnung haben müsste, ich bekäme sie ja nicht, weil es ist eine Betreibung am laufen, wenn ich einen neun Job brauchte, ich glaube, ich hätte auch Mühe", sagt Keller.
“Im Fall von Herrn Keller ist offenbar etwas krumm gelaufen mit dem Anschluss, der im Keller plombiert gewesen ist. Cablecom zieht den Fall zurück, damit haben wir ihn auch gelöscht und in der Datenbank gestrichen“, sagt Bettina Bickel von Intrum Justitia.
In Wirklichkeit aber löschte Intrum den Eintrag nur, weil Kassensturz sich einschaltete. Für den eidgenössischen Datenschützer Hanspeter Thür handelt Intrum inakzeptabel.
"Es ist ein klarer Verstoss gegen das Datenschutzgesetz. Das Gesetz schreibt ganz klar, vor, wer Daten bearbeitet, ist verpflichtet dafür zu sorgen, dass die Daten richtig sind", sagt Thür.
Intrum Justitia schüchtert Konsumenten ein, belästigt angebliche Schuldner mit Telefonanrufen und registriert diese erwiesenermassen zu Unrecht in einer Schuldnerdatenbank. Davon, wusste kaum jemand etwas. - Bis jetzt.