«Kassensturz» hat beim Link-Institut eine repräsentative Umfrage zur Steuermoral in der Schweiz in Auftrag geben. Landesweit wurden über 1000 Menschen befragt. 12 Prozent der Befragten finden es in Ordnung oder eher in Ordnung, bei den Steuerangaben zu schummeln. Für etwas mehr als ein Fünftel der Schweizerinnen und Schweizer ist das aber eher nicht Ordnung. Und 65 Prozent der Befragten finden Steuerschummeleien gar nicht in Ordnung.
Frauen strenger als Männer
Pikant: Frauen sind in der Umfrage strenger als Männer. Nur gerade 7 Prozent aller befragten Frauen finden Steuerschummeleien vertretbar, bei den Männern sind es 15 Prozent. Professor Gebhard Kirchgässner von der Universität St. Gallen forscht seit Jahren zum Thema Steuermoral. Er führt den eklatanten Unterschied zwischen den Geschlechtern auf eine geringere Risikofreudigkeit der Frauen zurück: «Wir wissen aus anderen Untersuchungen, dass Frauen im Schnitt weniger bereit sind als Männer, Risiken einzugehen.»
Gross sind bei der Steuermoral auch die regionalen Unterschiede: In der Westschweiz halten 24 Prozent der Befragten getürkte Steuererklärungen für vertretbar. Im Tessin drücken 11 Prozent der Bürgerinnen und Bürger bei Steuersünden ein Auge zu. In der Deutschschweiz sind es nur gerade 8 Prozent.
Diese regionalen Unterschiede nur mit kulturellen Faktoren erklären zu wollen, greift laut Professor Kirchgässner zu kurz. Vielmehr spiele die Ausgestaltung der direkten Demokratie eine übergeordnete Rolle: «Je mehr die Leute mitbestimmen können, desto höher ist ihre Bereitschaft, Steuern zu bezahlen. Die direkten Volksrechte sind in der Westschweiz im Schnitt aber weniger stark ausgeprägt als in der Deutschschweiz», erklärt der Steuerexperte. Und dies könne dazu beitragen, dass Steuerhinterziehung in der Westschweiz als weniger gravierend angesehen wird als in der Deutschschweiz.
Wut im Tessin am grössten
Landesweit weniger genau nehmen es Schweizer Bürgerinnen und Bürger mit der Versteuerung von Erbschaften: 20 Prozent der Befragten finden es in Ordnung oder eher in Ordnung, Erbschaften nicht anzugeben; 8 Prozent mehr als beim Einkommen. 75 Prozent finden das eher nicht in Ordnung oder überhaupt nicht in Ordnung.
Die Steuerehrlichkeit scheint zurzeit aber vor allem durch die exzessiven Boni-Zahlungen untergraben zu werden: 30 Prozent aller Befragten – jeder Dritte also – bekundet Mühe damit, Steuern zu bezahlen, während die Banken nachdem sie mit viel Steuergeldern saniert werden mussten, ihren Managern hohe Boni auszahlen. Am grössten ist die Wut offenbar im Tessin: Dort betonen 40 Prozent der Befragten die sinkende Bereitschaft, Steuern zu zahlen.
Professor Kirchgässner zeigt sich ob dieser Resultate wenig erstaunt: «Wenn Boni ausgezahlt werden in einer Höhe, die von der Bevölkerung nicht mehr verstanden wird, untergraben sie in weiten Teilen der Bevölkerung das Vertrauen in die marktwirtschaftliche Ordnung.» Und das könne zu gesellschaftlichen Problemen führen.