René Mühlheim hat bei der Post ein Euro-Konto mit 25‘000 Euro. Vergangenen Donnerstag, wenige Minuten nachdem die Schweizer Nationalbank (SNB) bekannt gegeben hat, sie werde den Mindestkurs aufgeben, will der Postfinance-Kunde seine Euros verkaufen: Gemäss Onlineportal Postfinance liegt der Eurokurs zu dieser Zeit bei 1.18 Franken. «Ich habe mich bei der Postfinance eingeloggt, mit der Absicht, meine Euros in Schweizer Franken zu wechseln. Es kam aber nur eine Meldung, dass sei im Moment nicht möglich.» Mülheim telefoniert mehrmals mit Postfinance. Man rät ihm, es später am Nachmittag nochmals zu versuchen. Er muss zusehen, wie er Geld verliert.
Andere Banken hielten an Devisenhandel fest
Auf Anfrage von «Kassensturz» schreibt Postfinance: «Wir haben den Devisenhandel unmittelbar nach der Ankündigung der Nationalbank vorübergehend komplett ausgesetzt. (…). Zu diesem Zeitpunkt fand am Devisenmarkt keine adäquate Preisbildung mehr statt. Wir konnten nicht sicherstellen, dass Fremdwährungstransaktionen zu marktgerechten Preisen abgewickelt werden.» Weiter betont Postfinance, dass zum Zeitpunkt des Verkaufs-Auftrages von Herrn Mühlheim der Euro/Franken-Kurs nicht mehr bei 1.18 gelegen habe, sondern schon viel tiefer gefallen sei. Als am Devisenmarkt wieder eine gewisse Liquidität vorhanden gewesen sei, habe man die verschiedenen Kanäle wieder geöffnet. Dies sei am frühen Nachmittag der Fall gewesen.
«Kassensturz» weiss: Anderen Schweizer Banken hielten den Devisenhandel am Donnerstagmorgen aufrecht. Dies zeigt eine Umfrage von «Kassensturz» bei UBS, CS, ZKB, BeKB, Raiffeisen, Migros Bank und Bank Coop. Allerdings hätten die Aufträge wegen des hohen Handelsvolumens zum Teil nur zeitverzögert ausgeführt werden können, räumen die angefragten Banken ein.
Das «Versagen» der Postfinance
Den Devisenhandel über Stunden auszusetzen sei gegen das Interesse der Kunden, betont Maurice Pedergnana, Professor für Bankwesen an der Hochschule Luzern: «Wenn ich als Postfinance meinen Kunden Jahrelang sage, ich biete Devisenhandel an, ihn dann aber in hektischen Zeiten über Stunden aussetze, und das im weltweit liquidesten Markt, dann ist das ein Versagen des entsprechenden Instituts.»
Der Bankenexperte verweist zudem auf die neuen Marktverhaltensregeln der Finanzaufsichtsbehörde Finma. Dieser Verhaltenskodex wurde auf Anfang dieses Jahres verschärft und hat für Banken und Finanzinstitute bindenden Charakter. Laut Maurice Pedergnana sollte die Finma prüfen, ob die Postfinance gegen diese Vorgaben verstossen hat. Denn es sei klar, dass eine Bank oder auch die im Zahlungsverkehr sehr starke Postfinance in den ersten Minuten nach der Bekanntgabe durch die SNB in eine sehr schwierige Situation geraten sei. Aber: «Nach einer Viertelstunde oder 20 Minuten waren alle Informationen vorhanden, um den Handel fortführen zu können. Meiner Meinung nach hätten Kundenaufträge ausgeführt werden müssen.»
Postfinance schreibt dazu: «Aus unserer Sicht kommen die Marktverhaltensregeln der Finma im vorliegenden Fall nicht zur Anwendung. Ungeachtet dessen sind wir überzeugt, dass wir im Interesse aller unserer Kundinnen und Kunden gehandelt haben.»
Devisenmarkt weniger stark beaufsichtigt
Finma-Sprecher Tobias Lux erklärt gegenüber «Kassensturz», die Finma stehe mit Banken und Versicherern in Kontakt. Einerseits, um zu sehen, wie sie finanziell betroffen sind und andererseits, um Informationen zu erhalten, wie sie in dieser aussergewöhnlichen Situation agierten und ob ihre Systeme und Prozesse angemessen funktioniert haben. Zum Handelsstopp der Postfinance wollte sich die Finma nicht konkret äussern.
Gleiches Recht für alle, fordert auch Postfinance-Kunde René Mühlheim: «Wenn die ganze Schweiz vom Handel genommen worden wäre, dann hätte ich absolut Verständnis. Aber wenn nur ein Teil ausgeschlossen wird und der andere Teil macht weiter, dann finde ich das nicht mehr in Ordnung.»