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Geld Schrottpapiere: Wie Bankberater mitverdienten

Misstrauen Sie ihrem Bankberater. Denn er empfiehlt vor allem Fonds und Wertpapiere, an denen er hohe Provisionen kassiert – ohne Wissen seiner Kunden. «Kassensturz» deckt auf, wie das Provisionssystem der Banken funktioniert – und welche fatalen Nachteile ihre Kunden dadurch erleiden.

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Zeichenlehrerin Caroline Seiler kennt sich mit Geldanlagen nicht aus. Im Jahr 2006 wollte sie einen grösseren geerbten Betrag sicher anlegen. Ihr Wunsch damals: Finanzielle Sicherheit für ihre Familie. Doch es kam anders. Die Erbschaft lag auf Caroline Seilers Konto bei der Credit Suisse. Da rief ein Berater der CS an. «Er sagte, es liege zu viel Geld auf ihrem Konto, man müsste da etwas Besseres machen», erzählt Seiler.

Versteckte Provisionen

92'000 Franken steckte Seiler in zwei Finanzprodukte. Das Geld sei sicher, verfüge über hundert Prozent Kapitalschutz, versprach ihr der CS-Mitarbeiter. Sie vertraute ihm. Erst später realisierte sie, dass es sich nicht um eine Anlage der CS handelte, sondern um strukturierte Produkte der amerikanischen Bank Lehman Brothers. Diese ging im letzten September Konkurs. Tausende Bankkunden haben wie Seiler ihr Geld verloren.

Bankmitarbeiter verkaufen ihren Kunden undurchsichtige Finanzprodukte, die für sie gar nicht geeignet sind. Grund für die schlechte Beratung: Die Banken erhalten versteckte Provisionen von Finanzinstituten. Auch die Credit Suisse bekam von der Lehman Bank Geld für den Verkauf der Papiere.

So läuft das lukrative Geschäft mit den versteckten Provisionen, sogenannten Retrozessionen: Die Bank verkauft dem Kunden ein Finanzprodukt einer anderen Gesellschaft, beispielsweise einen Anlagefonds. Der Kunde zahlt dafür Gebühren. Einen Grossteil davon leitet seine Bank weiter an die Anlagefonds-Gesellschaft. Was Kunden nicht wissen: Die Bank lässt sich auch vom Anlagefonds bezahlen – und kassiert Retrozessionen.

Problematische Vorgaben

Die Gefahr: Sie schwatzt ihren Kunden Produkte auf, für die sie die höchsten Provisionen erhält. Auch schlechte Produkte. Hansruedi Ramsauer arbeitete jahrelang bei Grossbanken, zuletzt als stellvertretender Direktor bei der UBS. Heute betreibt der Ex-Banker den Finanzblog «Zeitenwende». Er kennt das Problem und bestätigt: Falsche Anreize können dazu führen, dass Bankberater ungeeignete Produkte verkaufen.

Ein Mitarbeiter der Credit Suisse schildert «Kassensturz» per Mail die Verkaufspraktiken. Die Credit Suisse habe den Beratern vorgeschrieben, welches Produkt beim Verkauf aktuell sei. Die CS hätte Zielvorgaben für die verkauften Lehman-Produkte gemacht. Für die Entlöhnung bewertet worden sei der Umsatz mit den Produkten. Auch Finanzexperte Hansruedi Ramsauer kennt problematische Zielvorgaben, bei denen es ganz klar darum gehe, gewisse Produkte in den Vordergrund zu rücken, die im Interesse der Bank seien. «Und das kann durchaus einmal den Kundeninteressen widersprechen», sagt Ramsauer.

Caroline Seiler hat auf Rat eines CS-Mitarbeiters 92'000 Franken in komplizierte Produkte von Lehman gesteckt. Das Geld ist weg. Caroline Seiler: «Im Nachhinein war das keine Beratung für mich, sondern ein Verkaufsgespräch.» Die CS habe dabei nicht kundenfreundlich agiert.

Falsche Versprechungen

Interessenkonflikte bei der Bankberatung: Für Kunden unbemerkt fliessen versteckte Provisionen zwischen den Banken. Verschiedene Quellen sagen, dass die Credit Suisse von Lehman Provisionen in der Höhe von bis zu sechs Prozent des Umsatzes erhalten habe. Insgesamt kassieren Banken und Vermögensverwalter in der Schweiz jährlich bis zu fünf Milliarden Franken Retrozessionen.

Die Credit Suisse widerspricht und schreibt «Kassensturz»: «Die Verkaufskonditionen der Lehman-Brothers-Produkte waren marktüblich und es gab keine besonderen Anreize für deren Vertrieb. Insgesamt nur zirka 0,3 Prozent von unseren Kunden hatten kapitalgeschützte Lehman-Produkte in ihren Portfolios.»

Auch Thomas Sutter kaufte auf Anraten seines Bankberaters ein undurchsichtiges Finanzprodukt. Der Familienvater bekam Geld aus einer Erbschaft und investierte rund 100'000 Euro bei der UBS. Sutter kaufte auf Empfehlung eines UBS-Beraters ein so genanntes «Absolute Return»-Produkt. Die Bank versprach, der Fonds könne auch in einem negativen Markumfeld positive Renditen erzielen. Allerdings: Das als sehr sicher angepriesene Produkt verlor massiv an Wert. Zahlreiche UBS-Kunden haben mit «Absolute Return Fonds» viel Geld verloren.

Vorstoss im Parlament

Vermögensverwalter Damian Gliott von der Firma Vermögenspartner AG setzt auf Transparenz und gibt die Retrozessionen an seine Kunden weiter – eine Ausnahme in der Finanzbranche. Normalerweise behält ein Finanzberater solche Provisionen für sich. Das Problem des Beraters sei, dass er nicht nur vom Kunden bezahlt werde. Gliott: «Sonst könnte er sämtliche Produkte anschauen und das beste für den Kunden auswählen.» Wenn der Berater aber wisse, dass ein anderes, ähnlich gutes Produkt hohe Provisionen abwerfe, sei das für ihn ein zusätzliches Geschäft. «Schlussendlich geht es auch in der Finanzwelt darum, Geld zu verdienen», so Gliott weiter.

Das Bundesgericht entschied schon 2006, dass Retrozessionen den Kunden gehören. Auch das Obligationenrecht verlangt dies. Doch die Finanzbranche ignoriert das Gesetz und gibt die Retrozessionen nicht an die Kunden weiter. Simonetta Sommaruga, Präsidentin der Stiftung für Konsumentenschutz, kritisiert: Die Banken machen nur im Kleingedruckten auf die Zahlungen aufmerksam und geben die genau Höhe nicht an.

Sommaruga will deshalb im Parlament einen Vorstoss einreichen: «Ich fordere vom Bundesrat eine Regelung, damit Banken Retrozessionen nicht mehr einfach zurückbehalten. Sie müssen dem Kunden unaufgefordert und vor Vertragsabschluss offenlegen, wie viel Retrozessionen sie entgegennehmen.» Zweitens dürften die Banken das nicht einfach im Kleingedruckten regeln und sagen, die Bank behält das Geld für sich und der Kunde verzichtet. Sondern es müsse im Gespräch, im Vertrag geregelt werden.

Nur in absoluten Zahlen

Die Bank dürfe auch nicht nur eine Bandbreite angeben und sagen, die Retrozessionen seien etwa so viel. «Sondern sie muss in absoluten Zahlen sagen, um wie viel Geld es da geht», sagt Sommaruga. Bis dahin bleiben Retrozessionen ein einträgliches Geschäft für die Finanzbranche und verleiten Bankmitarbeiter dazu, ihren Kunden falsche Produkte aufzuschwatzen.

Die UBS schreibt zum Fall von Thomas Sutter, mit diesem «Absolute Return»-Produkt habe sie nie Garantien gemacht, dass es keine Verluste gebe. Eigenartig: «Absolute Return» heisst doch «alles kommt zurück». Das Ganze sei auf «nicht vorhersehbare Verwerfungen an den Kreditmärkten zurückzuführen». Die UBS vertreibe nie überteuerte und ungeeignete Produkte. Sonst würde sie Kundenvertrauen verlieren und die Bank hätte keine Vorteile davon.

Am Dienstag gab Credit Suisse bekannt, dass sie weitere Lehman-Opfer wenigstens teilweise entschädigen wolle.

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