Sie waren gerade erst eingezogen: Maria Hofstetter und ihr Lebenspartner. Nur sechs Monate konnten sie ihr Leben zu zweit in ihrem Haus geniessen. Dann, am 2. Oktober 2002, klagte ihr Partner über Schmerzen in der Brust. Maria Hofstetter rief den Krankenwagen. Noch bevor dieser eintraf, fiel ihr Partner um und verstarb.
Keine Zeit zum Trauern
Sonja Baumann, die Tochter von Maria Hofstetter, stand ihrer Mutter in dieser schweren Zeit bei. Aber sie hatten keine Zeit, um gemeinsam zu trauern. Noch bevor der Lebenspartner von Maria Hofstetter beerdigt war, begann der Streit um das Erbe. Die Tochter und der Sohn ihres Lebenspartners meldeten ihre Ansprüche an und verschafften sich auf drastische Weise Überblick über die Finanzen des Vaters.
Die Tochter und der Sohn des Lebenspartners wollen sich nicht öffentlich zum Fall äussern. Maria Hofstetter ist sich sicher, dass es ihrem Lebenspartner missfallen hätte, wie sich seine Kinder ihr gegenüber verhalten haben. «Ich war einfach niemand mehr», sagt Maria Hofstetter.
Geld ins Haus gesteckt
Sie war 12 Jahre lang mit ihrem Lebenspartner zusammen. Beide waren verwitwet als sie sich kennen lernten. Acht Jahre lebten sie zusammen. Auch als sie ins neue Haus zogen, haben sie nicht geheiratet. Maria Hofstetter wollte ihre Witwenrente nicht verlieren. Das wurde ihr zum Verhängnis. Als Nicht-Ehefrau hatte sie keinen Anspruch auf das Erbe ihres Partners.
Und da war das Haus im Wert von ungefähr 700'000 Franken. Als Ehefrau hätte Maria Hofstetter die Hälfte des Hauses geerbt. Da sie aber im Konkubinat lebte, hatte sie darauf keinen Anspruch. Dabei hatte Maria Hofstetter auch eigenes Geld ins Haus gesteckt. Das konnte sie aber vorderhand nicht beweisen.
Die Kinder ihres Lebenspartners zogen vor Gericht. Sie wollten das ganze Haus erstreiten. Sie wollten nicht mit Maria Hofstetter teilen. Unverheiratet und ohne Testament des Lebenspartners war die Lage für Maria Hofstetter nicht einfach.
Viele Missverständnisse
Wir wissen es und verdrängen es gerne: Wir sind sterblich. Jederzeit und überall kann es uns treffen. Aber wer denkt schon darüber nach? Kaum jemand macht sich Gedanken, was mit dem Nachlass geschehen soll. Häufig sind Missverständnisse der Anfang für Erb-Streitigkeiten.
Zum Beispiel: Ein kinderloses Ehepaar. Stirbt der Mann, glauben die meisten, dass die Ehefrau alles erbt. Doch das ist falsch. Die Ehefrau erhält nur Dreiviertel des Nachlasses. Das restliche Viertel geht – falls sie noch leben – an die Eltern oder, wenn die Eltern schon tot sind, an allfällige Geschwister des Mannes.
Wir sterben immer noch gleich wie vor hundert Jahren, aber die Lebensumstände haben sich komplett verändert. Das Gesetz hinkt hinterher.
Zum Beispiel: Eine Patchwork-Familie. Ein Ehepaar mit Kind lässt sich scheiden. Oft heiraten Geschiedene ein zweites Mal. Und haben wieder Kinder. Wenn dann der Ehemann stirbt, geht die Hälfte des Vermögens an seine Ehefrau, die andere Hälfte teilen die Kinder untereinander auf. Sie erhalten je einen Viertel. Stirbt später auch die Ehefrau geht alles an ihren Sohn. Er erhält also insgesamt Dreiviertel des Vermögens. Die Tochter aus erster Ehe bekommt nichts mehr. Sie ist mit der zweiten Ehefrau nicht verwandt und darum auch nicht erbberechtigt.
Im Kaufvertrag erwähnt
In mühseliger Kleinarbeit konnte Maria Hofstetter schliesslich anhand von Bankbelegen beweisen, dass sie eigenes Geld ins Haus gesteckt hatte. Und sie hatte Glück im Unglück. Ihr Lebenspartner hatte sie im Kaufvertrag für das Haus als Miteigentümerin angegeben. So hat das Gericht Maria Hofstetter die Hälfte des Hauses zugesprochen. Darüber hinaus hatte Maria Hofstetter, da sie nicht verheiratet war, auf nichts Anspruch.
Vier schlimme Jahre hat der Streit gedauert. Langsam geht es Maria Hofstetter wieder besser. Nächste Woche feiert sie ihren 70. Geburtstag.