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Unsoziale Kantone: Steuersenkungen entlasten vor allem Reiche
Aus Kassensturz vom 29.03.2016.
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Geld Viele zahlen weniger Steuern, Rentner zahlen mehr

Steuern in der Schweiz sind in den letzten 20 Jahren gesunken. Doch nicht für alle gleich. Einige Kantone haben hohe Einkommen viel stärker entlastet als tiefere. Und für die Rentner gilt: In vielen Kantonen zahlen sie heute mehr Steuern. Das zeigt eine Untersuchung der Sendung «Kassensturz».

Das Resultat des «Kassensturz»-Steuervergleichs fällt nicht unbedingt so aus, wie man es erwarten würde. «Die Steuerbelastung ist in den letzten 20 Jahren generell gesunken», sagt Markus Schärrer vom Büro Bass. Er hat für «Kassensturz» die Gemeinde, Kantons- und Kirchensteuern im Zeitraum von 1994 bis 2014 analysiert (siehe Tabelle unten und im separten Artikel). Die Steuerdaten beziehen sich auf die jeweiligen Kantonshauptorte und sind teuerungsbereinigt.

Folgende Erkenntnisse hat der Vergleich ans Licht gebracht:

  • In praktisch allen Kantonen ist die Steuerbelastung für Erwerbstätige gesunken.
  • Die meisten Kantone haben tiefere Einkommen prozentual stärker entlastet.
  • In absoluten Frankenbeträgen werden Reiche jedoch viel stärker entlastet.
  • Uri und Obwalden haben die Steuern für Reiche viel stärker gesenkt als für mittlere Einkommen.
  • Verlierer sind die Rentner: In vielen Kantonen ist ihre Steuerbelastung gestiegen statt gesunken.
  • Die direkte Bundessteuer ist ebenfalls gesunken, ausser bei den meisten Rentner.

«Soziale» Senkungen in den meisten Kantonen

Die Zahlen

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So viel weniger Steuern zahlt man in den Kantonen im Vergleich zu 1994. Zu den Tabellen

Ein verheiratetes Paar mit zwei Kindern und einem Brutto-Einkommen von 100‘000 Franken zahlt in Zürich 32 Prozent weniger Steuern als 1994. Bei einem Einkommen von 500‘000 Franken sind die Steuern im gleichen Zeitraum in Zürich um 18 Prozent gesunken.

Damit hat Zürich die Steuern «sozial» gesenkt: Untere Einkommen wurden prozentual stärker entlastet als höhere. Das gilt für die meisten Kantone, wie der Vergleich zeigt.

Absolute Entlastung bei hohen Einkommen trotzdem höher

Betrachtet man die Steuersenkungen in absoluten Frankenbeträgen, ist die Entlastung von hohen Einkommen trotzdem viel stärker. So hat Zürich Einkommen von 100‘000 Franken um 2276 Franken entlastet. Bei Einkommen von 500'000 sind es 25‘646 Franken.

«Einkommensschwache Haushalte wurden prozentual zwar stärker entlastet. In Franken ist es dann doch zum Teil sehr wenig. Und das wird aufgefressen durch höhere Krankenkassenprämien, durch höhere Gebühren und Abgaben», sagt Markus Schärrer vom Büro Bass im «Kassensturz».

Höhere Einkommen sind davon weniger betroffen, da die Abgaben, Gebühren und Prämien für alle gleich hoch sind.

UR und OW: Höhere Einkommen stärker entlastet als tiefere

Auffallend «unsozial» ist die Entwicklung in Uri und Obwalden. Im Urner Hauptort Altdorf sind die Steuern für Alleinstehende mit einem Einkommen von 50‘000 Franken seit 1994 um 5 Prozent gesunken. Einkommen von 250‘000 Franken sind aber viel stärker entlastet worden, nämlich um 32 Prozent.

Der Urner Finanzdirektor Josef Dittli weist die Kritik der «unsozialen» Senkung zurück. Uri sei vor zehn Jahren noch eine Steuerhölle gewesen und habe handeln müssen, um die Abwanderung von Haushalten mit hohen Einkommen zu verhindern. «Wir haben uns deshalb entschieden, die Flatrate Tax, also den Einheitssteuersatz einzuführen. Damit haben wir auch bewusst in Kauf genommen, dass die höheren Einkommen ganz gezielt entlastet werden.»

Kantone im Vergleich

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Steuer-Hölle oder -paradies? Was müssten Sie in einem anderen Kanton zahlen? Vergleichen Sie!

Auch in Obwalden wurden hohe Einkommen stärker entlastet als tiefere. Auch Obwalden argumentiert damit, man sei vor 10 Jahren noch eine Steuerhölle gewesen und hätte handeln müssen. Das Steuergesetz sei vom Stimmvolk ausserdem immer gutgeheissen worden.

Rentner: In vielen Kantonen stärker besteuert

Während die Steuern für die Erwerbstätigen generell gesunken sind, zahlen Rentner heute in vielen Kantonen mehr Steuern. In Solothurn etwa hat sich die Steuerbelastung für verheiratete Rentner mit einem Brutto-Einkommen von 45‘000 Franken verdoppelt. Bei einem Einkommen von 70‘000 Franken sind es über 50 Prozent mehr.

Der Solothurner Finanzdirektor Roland Heim bedauert diese Entwicklung. Dies habe unter anderem damit zu tun, dass Neu-Renten seit 2002 voll versteuert werden müssen. Ausserdem habe der Kanton Solothurn in den letzten Steuerrevisionen die unteren Einkommen nicht entlastet.

Tabelle
Legende: Steuerveränderung für verheiratete Rentner. SRF

Dies zu korrigieren und spezielle Rentner steuerlich zu entlasten, liege bei der momentanen Finanzlage aber nicht drin: «Vor einem Jahr wollte ein Vorstoss tiefere Einkommen steuerlich entlasten. Der Kantonsrat hat das Anliegen aber abgelehnt.»

Auch in vielen anderen Kantonen ist die Steuerbelastung für Rentner gestiegen. Ein Grund ist laut Markus Schärrer, dass bei den Erwerbstätigen in den letzten Jahren die Abzüge erhöht wurden. Pensionierte können viele Abzüge aber nicht geltend machen.

Es geht aber auch anders. Im Kanton Tessin zum Beispiel ist die Steuerbelastung für die beiden Rentern-Profile um 60 Prozent beziehungsweise 39 Prozent gesunken.

Die Veränderung der Steuern in Prozenten

«Kassensturz» hat in allen Kantonshauptorten die Steuern mit je vier verschiede hohen Einkommen für folgende Personenprofile berechnet:

  • Alleinstehende
  • Verheiratete ohne Kinder
  • Verheiratete mit 2 Kindern
  • Verheiratete Rentner

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