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Gesundheit Ärzte machen fette Gewinne mit umstrittener Diät-Kur

Essen so viel man will – und trotzdem abnehmen: Das verspricht die Diätkur eines Schweizer Arztes. Patienten klagen, sie hätten statt Kilos nur Geld verloren. «Kassensturz» zeigt: Hinter der umstrittenen Diät versteckt sich ein Geschäftsmodell, dem sich über 70 Arztpraxen angeschlossen haben.

Wochenlang hielten sich Renate Meyer und Sonja Scheuber strikt an ihre «grüne Liste» von erlaubten Esswaren. Diese Liste hatten sie von einem Arzt bekommen, der das so genannte «Rohner-Konzept» anbietet. Eine Kollegin hatte mit dieser Diät Erfolg.

Doch bei den zwei «Kassensturz»-Zuschauerinnen nützte die Diät nichts. Sonja Scheuber legte an Gewicht sogar zu. «Vorher hatte ich nie Probleme mit Wasser im Gewebe. Sobald ich aber mit der Diät begann, ging ich auf wie ein Hefekloss», erzählt Sonja Scheuber.

Arzt behauptet: Abnehmen ohne Kalorien zählen

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Legende: Sonja Scheuber nahm zu statt ab. SRF

Das Basis-Paket der Rohner-Diät haben die beiden Frauen mitten in Bern beim Allgemeinpraktiker Beat Liechti gekauft. Der Preis war stolz: je 1300.- Franken. Bezahlen mussten sie im Voraus - bar auf die Hand.

Auf seiner Webseite behauptet Liechti, dass seine Patienten vollständig auf das Zählen von Kalorien verzichten könnten und trotzdem abnehmen.

Renate Meyer und Sonja Scheuber liessen sich von den zahlreichen Versprechungen des Arztes verlocken: «Erstens: dass man nicht Hunger haben muss. Es lockte auch, dass es genug Esswaren gab, die man essen durfte. Ein Vorteil war, dass man bald Erfolge haben werde, nicht nur durch die Gewichtsreduktion, sondern dass sich die Form des ganzen Körpers verändert. Und dass man dabei fit bleibt und nicht müde ist, wie bei einer anderen Diät», sagt Renate Meyer.

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Legende: Artzpraxen mit Rohner-Konzept. SRF

Nebengeschäft für Ärzte

Mediziner Liechti gehört zu einem eigentlichen «Rohner-Diät-Imperium». 60 Ärzte verkaufen das Rohner-Konzept in der Schweiz. Von jedem Patienten fliesst ein Teil der 1300.- Franken als Lizenzgebühr an den Urheber, den Zürcher Arzt Wolfgang Rohner – ein einträgliches Geschäft.

Wolfgang Rohner tingelt seit Jahren werbewirksam durch die Medien. Seine Theorie: Viele Menschen seien wie Murmeltiere und bildeten sofort Fettreserven.

Mit seinem Blut-Test ordnet er jedem Patienten einen von 11 Stoffwechseltypen zu. Danach benötigt jeder Typ spezifische Nahrungsmittel, um erfolgreich abzunehmen. Rohner erklärt: «Bei unserer Analyse können wir feststellen, welche Nahrungsmittel die Fettverbrennung anregen. Und welche sie hemmen.»

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Legende: Dr. Wolfgang Rohner hat bei Murmeltieren abgeschaut. SRF

Diät gilt als unwissenschaftlich

Rohners Murmeltier-Theorie mit verbotenen Nahrungsmitteln gilt in der Fachwelt als spekulativ und unwissenschaftlich. Trotzdem versprechen Rohner und seine Lizenzärzte unbeirrt, Patienten dürften von den guten Nahrungsmitteln essen, bis sie satt sind. Zudem nehme man an den richtigen Stellen in den richtigen Proportionen ab.

Die Übergewichts-Spezialistin und Ärztin, Susanne Maurer, aus Winterthur sagt im «Kassensturz»: «Abnehmen funktioniert nicht über angeblich erlaubte und verbotene Nahrungsmittel. Entscheidend ist eine negative Kalorienbilanz, also wenn man weniger Kalorien zu sich nimmt, als man verbraucht.»

Dass Renate Meyer und Sonja Scheuber mit der Rohner-Methode nicht abnahmen, kann sie ganz einfach erklären: «Weil die beiden Frauen zu viel gegessen haben. Oder sich zu wenig bewegt haben. Das eine oder das andere.»

Sarah Ferguson und Patricia Boser als Werbebotschafterinnen

Ohne Kontrolle der Kalorienzufuhr scheitert eine Diät mit grosser Wahrscheinlichkeit. Auch die weitere Behauptung von Rohner, es sei möglich, an spezifischen Körperstellen abzunehmen, entbehre jeder wissenschaftlichen Grundlage, sagt die Expertin.

Wolfgang Rohner behauptet unbeirrt, tausende seiner Kunden bewiesen die Richtigkeit seiner Theorie, insbesondere Prominenz wie Moderatorin Patricia Boser oder Herzogin Sarah Ferguson. Seltsam nur, die Werbe-Interviews auf Rohners Homepage sind über weite Teile wörtlich gleich. Ein Schelm, der Böses dabei denkt.

Renate Meyer und Sonja Scheuber haben sich redlich bemüht, mit der Rohner-Methode abzunehmen. Sie haben dem Arzt Beat Liechti und seinen Versprechen zur Diät geglaubt. Als der Erfolg auch nach zwei Monaten ausblieb, schrieben die Frauen dem Arzt immer wieder Mails mit ihren Fragen. Liechtis Antworten blieben für sie unbefriedigend.

Die bezahlten 1290 Franken fanden die zwei Frauen viel zu teuer. Sie verlangten ihr geld zurück. Darauf eskalierte die Situation. Am Schluss nahm Mediziner Liechti eingeschriebene Post gar nicht mehr an.

Rohner Konzept verletzt ärztlichen Kodex

Rohners irreführende Behauptungen verletzen die ärztlichen Standesregeln. Dies sagt Kurt Läderach, Professor an der medizinischen Fakultät der Uni Bern und Präsident der Schweizerischen Adipositas-Forschungsgruppe. Doch die Ärztegesellschaft FMH schreitet erst bei grobem Ärztepfusch ein. Irreführendes bleibt ungestraft.

Professor Kurt Läderach stört das: «Es ist eine Irreführung der Patienten, die eine korrekte Behandlung bedürfen. Ich bedaure, dass die Ärzteschaft FMH, die kantonalen Ärztegesellschaften und die Juristen der Reklameflut der Ärzte keinen Einhalt gebietet. Das gehört sich nicht für einen Arzt. Das nicht zum Bild eines Arztes, der Vertrauen erwecken soll.»

Wolfgang Rohner schreibt gegenüber «Kassensturz» zu den Vorwürfen: «In den seltensten Fällen ist das chronische Problem der Abnehmwilligen ein Problem der Energiebilanz, aber wenn, dann wird das selbstverständlich in der Analyse und Anamnese festgestellt, berücksichtigt und mit der Kundin/ dem Kunden kommuniziert. (...) Mit den richtigen Nahrungsmitteln können sie ihren Körper richtiggehend modellieren.»

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