Im Ferienort Sörenberg im Entlebuch ist nächste Apotheke rund 17 Kilometer entfernt. Deshalb konnten Gäste und Einheimische im Tourismusbüro rezeptfreie Medikamente kaufen. Bis vor kurzem: Jetzt hat der Kantonsapotheker der Sörenberger Tourismusdirektorin Carolina Rüegg den Verkauf verboten.
Der Verkauf von Produkten wie Neocitran oder Aspirin sei illegal. Carolina Rüegg bedauert das: «Es war ein beliebter Dienst für Einheimische und Gäste.» Diese müssen nun wieder weit fahren, um Medikamente kaufen zu können.
Ein geschützter Markt
Die meisten rezeptfreien Medikamente (so genannte OTC-Produkte) dürfen nur Apotheken und Drogerien verkaufen. So will es das Heilmittelgesetz. Es ist ein geschützter Mark für Apotheken und Drogerien.
Forum
Das soll sich jetzt ändern. Im Rahmen der Revision des Heilmittelgesetzes will der Bundesrat, dass Detailhändler künftig mehr rezeptfreie Medikamente verkaufen dürfen. Das soll zu tieferen Preisen führen, weil mehr Wettbewerb entsteht. Zudem ist das bequemer für Konsumenten.
«Keine amerikanischen Verhältnisse»
Sehr liberal ist der Medikamentenverkauf in den USA: Die Medikamenten-Abteilungen der Supermärkte sind riesig. Auch Schmerzmittel können Kunden immer und überall kaufen.
In der Schweiz will insbesondere die Migros mehr rezeptfreie Medikamente verkaufen: Vitaminpräparate oder Erkältungsmittel, aber keine Schmerzmittel. «Wir wollen nicht so weit gehen wie in der USA. Wir wollen keine amerikanischen Verhältnisse», erklärt Martin Schläpfer, Leiter Wirtschaftspolitik bei der Migros. Schläpfer verspricht: Mehr Konkurrenz beim Verkauf bringe tiefere Preise.
Hohe Preise
Heute sind viele rezeptfreie Medikamente in der Schweiz teurer als in Deutschland. Das zeigt ein Preisvergleich von «Kassensturz»: Supradyn Energy Brausetabletten zum Beispiel kosten in Deutschland umgerechnet 15 Franken 61.
In der Schweiz 31 Franken 80. Schweizer Konsumenten müssen mehr als das doppelte bezahlen.
Beratung sei wichtig
Preisüberwacher Stefan Meierhans befürwortet gegenüber «Kassensturz» die geplante Liberalisierung: «Die Massnahme hat eine preisdämpfende Wirkung». Wenig Begeisterung herrscht hingegen bei den Apothekern.
Dominique Jordan, Präsident des Apothekerverbands Pharmasuisse ist skeptisch: «Medikamente sind keine Konsumgüter und brauchen entweder eine Beratung oder eine Begleitung des Patienten.» Schuld an hohen Medikamentenpreisen seien oft die Hersteller
Der Fall Fisherman’s Friend
Die geplante Liberalisierung des Medikamentenverkaufs betrifft auch Hustenpastillen: Produkte wie Fisherman's Friend, Grether's Pastillen oder Ricola gelten in der Schweiz nämlich als Medikamente. Sie stehen als Heilmittel auf Liste E von Swissmedic. Sie brauchen eine Zulassung durch die Heilmittelbehörde.
Das hat Folgen: Die Migros Tochter Migrolino importierte letztes Jahr Fisherman's Friend Hustenbonbons direkt aus dem Ausland - zu einem tieferen Preis als beim Schweizer Generalimporteur.
Verkauf unterbunden
Doch Swissmedic unterband den Verkauf. Die parallel importieren Produkte seien nicht als Heilmittel zugelassen. Das zeigt: Sind Produkte als Heilmittel registriert und nicht als Lebensmittel, ist der günstige Parallelimport faktisch unmöglich.
Martin Schläpfer von der Migros kritisiert: «Man sollte unbedingt die Liste der frei verkäuflichen Arzneimittel überprüfen. Und dort Produkte wie Fisherman's Friend herausnehmen und als Lebensmittel deklarieren.» Das würde sich gemäss Schläpfer im Preis niederschlagen, weil bei Lebensmitteln der Parallelimport möglich ist.
Der Generalimporteur von Fisherman's Friend kann so in der Schweiz hohe Preise verlangen. Fisherman's Friend Mint kostet in Deutschland umgerechnet 1.06 Franken. In der Schweiz je nach Verkaufstelle bis zu 2 Franken 90. Das sind 173 Prozent mehr.
Hustenbonbons als Heilmittel - ist das nicht absurd? Swissmedic-Sprecher Daniel Lüthi erklärt: «Wir müssen uns nach den geltenden Gesetzen richten.» Wenn ein Produkt einen bestimmten Wirkstoff enthalte oder mit einer Heilanpreisung versehen sei, gelte es als Heilmittel.