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Gesundheit Gefährliche Tattoos: Giftspritzen unter die Haut

Viele Studios verwenden hochgradig krebserregende Farbstoffe: «Kassensturz» fand in einer Stichprobe in Dreiviertel der Proben Substanzen, die zur Giftklasse 1 gehören. Für Textilien und Kosmetika sind diese Stoffe längst verboten. Mehr als zehn Prozent der Schweizerischen Bevölkerung ist tätowiert.

Ein Tattoo ist für die Ewigkeit. Die Farben sollten auch nach Jahren nicht verblassen. Viele Tätowierer benutzen Farben, die auf derselben Basis aufgebaut sind wie Autolack: sogenannte AZO-Farben. Die aus Teerpigmenten hergestellten Farben sind UV-beständig und billig. Von den rund 2000 verschiedenen AZO-Farben sind jedoch etwa 450 gefährlich, weil sie krebserregende aromatische Amine abspalten können. Das Heimtückische an den gefährlichen AZO-Farben: Die giftigen Substanzen werden erst im Körper aus den Farben gebildet. "Es gibt solche, die aromatische Amine abspalten. Diese Amine wandeln sich im Organismus um, und man weiss, dass diese krebserzeugend sind", sagt Stefan Lautenschlager, Chefarzt Dermatologie am Triemlispital Zürich.

Verschwiegene Produzenten

Die meisten Produzenten von Tattoofarben kümmern sich nicht um die Gesundheit. Da viele die genaue Zusammensetzung ihrer Farben verschweigen, ist es für Tattoo-Studios praktisch unmöglich, die Sicherheit ihrer Kunden zu garantieren.

Kassensturz nahm in zwölf Studios in der ganzen Schweiz 24 Proben von den als besonders problematisch geltenden Farbtönen Rot und Gelb und liess sie im Chemisch-Technologischen Labor CTL in Bielefeld untersuchen. Die Analysen des Labors sind alarmierend: In fast Dreiviertel der Proben fanden die Wissenschaftler die aromatischen Amine 3,3 Dichlorbenzidin, ortho-Ansidin, 2,4 Toluylendiamnin und ortho-Toluidin. Alles Substanzen, die in der nationalen Giftliste unter höchsten Giftklasse 1 figurieren. "Bei den hohen Mengen, die wir gefunden haben, müsste man davon ausgehen, dass einige Personen auch tatsächlich wegen dieser Farben Krebs bekommen", sagt Gerald Prior, Leiter Bielefelder Instituts.

Die Resultate: Die höchsten Werte fand das Labor in der Farbe Rot aus dem Zürcher Tattoo-Studio Giahi: Der Wert von mehr als 5000 mg 2,4 Toluylendiamin sprengte die Analyseskala. Gelb hatte 67 mg ortho-Anisidin. Inhaber Hichem Turki bezieht seine Farben von Huck Spaulding Enterprise in den USA. "Wir wussten, dass es krebserregende Stoffe gibt. Aber da unser Lieferant der grösste ist, dachten wir, er treffe Massnahmen, dass so etwas nicht vorkommt", erklärt Turki. Der Lieferant schreibt Kassensturz, seine Farben seien schon mehrere Male getestet und für gut befunden worden. Turki will jetzt seine Farben wechseln. Im Orange des Tattoo & Body Art Studio in Basel fand das Labor den massiv hohen Wert von 1130 mg 3,3 Dichlorbenzidin. Das Rot wurde nicht beanstandet. Besitzer Dave Holm ist bestürzt über das Resultat, vertraut seinem Farblieferanten Micky Sharpz Supplies in England nachwievor: "Die Firma sagt, sie entwickelt jetzt neue Farben und lässt diese ebenfalls in Bielefeld testen", sagt Holm. Der Lieferant schreibt Kassensturz:

AZO-Farben sind verboten

In Kosmetika und Textilien sind krebserregende AZO-Farben längst verboten. Das Verbot auf Tattoofarben auszuweiten, hat das Bundesamt für Gesundheit (BAG) aber verschlafen. Statt zu reagieren, stritten sich die Behörden um Zuständigkeiten - mit fatalen Folgen. "Die Konsequenz ist, dass wir gar keine Basis haben, um den Markt zu regulieren und eventuell Produkte zu verbieten, die giftig sind", sagt Michel Donat vom BAG. Absurd: Für krebserregende Amine in Kugelschreibertinte gilt in der Schweiz ein Grenzwert von 50 mg/kg. Die Kassensturz-Stichprobe zeigt, dass die meisten Tattoofarben ein Vielfaches davon enthalten. Giftklasse 1 fand das Labor bei Buddy's Devil Ink in St.Gallen, bei Rue de Framboise in Zürich, bei Magic Needle in Frauenfeld, bei Skin Art Factory in Zürich, bei Mr. T in Bern, bei Rock'n'Roll in Baden und bei Wernus Tattoo Budä in Bern.

Der Europarat hat jetzt reagiert und fordert alle Länder auf, die giftigen AZO-Farben mittels griffigen Gesetzen zu verbieten. Das BAG will mitziehen. Doch bis ein Gesetz in Kraft tritt, werden noch Jahre vergehen. Bis dahin dürfen Farbproduzenten legal ihr Gift in die Tattoofarben mischen.

Dass es auch ohne krebserregende Farben geht, zeigt sich im Studio von Heinz Keller in Frauenfeld: Hier hängt ein Schreiben vom Lieferanten Deep Colours, wonach auf gefährliche AZO-Farben verzichtet werde. Das Testresultat bestätigt diese Aussage. Das Basler Studio Fresh up verspricht seinen Kunden, dass nur unbedenkliche Farben im Einsatz sind. Im Test fand das Labor keine giftigen Chemikalien. Skin Deep Art in St.Gallen verwendet Farben von Robinson & Dixon. Der Hersteller belegt Kassensturz, dass er seine Farben testen lässt. Das Labor fand auch hier keine krebserregende Stoffe.

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