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Gesundheit Nano-Produkte: Niemand kennt die Folgen

In Lebensmitteln, Kosmetik oder Textilien: Nanotechnologie ist allgegenwärtig. Doch damit steigen die Gefahren: Beim Menschen dringen Nanopartikel bis in Zellen und ins Gehirn. In der Umwelt lagern sich künstliche Nanopartikel ab. Das zeigen Studien. Verlässliche Daten zu Langzeitfolgen fehlen.

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Nanopartikel sind ein paar millionstel Millimeter klein. Die Eigenschaften von künstlich hergestellten Nanopartikeln unterscheiden sich grundsätzlich von allem bisher Bekannten. Nanotechnologie spielt in einer Welt mit eigenen Gesetzmässigkeiten.

Die  Schweizer Bevölkerung kümmert die neue Technologie wenig. Professor Peter Gehr vom Institut für Anatomie in der Universität Bern erklärt: «Bei den Nanopartikeln kennt man die Risiken noch nicht genau. Da atmen wir vielleicht künstliche Nanopartikel ein und die können in der Lunge ins Blut gelangen. Darauf werden sie im Körper verteilt und können sehr leicht in Zellen eindringen und allenfalls auch in den Kern. Das ist etwas, was wir nicht unter Kontrolle haben.»

Stoffe haben neue physikalische Eigenschaften

Nanopartikel revolutionieren viele Anwendungen von der Industrie bis zur Medizin. Dank Nanopartikeln auf der Oberfläche weisen Textilien Schmutz ab. Oder sie werden schon gar nicht mehr nass. Im Computer dienen Nanoröhren als ultraschnelle und verlustfreie Leiter für Prozessoren.

In Solarzellen erhöhen Nanokügelchen den Wirkungsgrad massiv. Glas hält plötzlich hohes Gewicht aus. In Glasflaschen war der Inhalt bisher besser haltbar als in Plastikflaschen. Nun machen Nanopartikel das Pet so dicht wie Glas. Ketchup kommt geschmeidiger aus der Flasche. Siliciumdioxid-Partikel verhindern, dass Pulver verklumpt. Nanoteilchen könnten helfen, dass Produkte länger frisch bleiben. In der Sonnencreme ersetzen Nanopartikel chemische UV-Filter.

Barbara Rothen-Rutishauser von der Forschungsgruppe Pneumologie am Inselspital Bern untersucht die Risiken von Nanopartikeln beim Menschen. Sie beschwichtigt vorerst: «Gemäss den heutigen Erkenntnissen kann man sagen, dass Nanopartikel, die in Produkten gebunden sind und mit dem Menschen in Kontakt komme, kein Risiko darstellen. Ein Beispiel ist Sonnencreme.»

Sonnencreme gilt heute als unbedenklich, weil dort die Nanopartikel in gebundener Form vorkommen, und über gesunde Haut nicht in den Körper gelangen. Ob man Lebensmittel mit Nanopartikel bedenkenlos essen kann ist noch nicht erforscht.

Nano-Gummi wirkt wie Asbest

Allerdings gelangen immer mehr ungebundene  Nano-Partikel in die Umwelt. In Korea wurden Reifen mit Kohlenstoff-Nanoröhrchen entwickelt. Sie machen den Pneu widerstandsfähiger. Diese Reifen reiben sich aber trotzdem ab. Gummi verwittert, die Kohlenstoff-Nanoröhrchen nicht. Sie lagern sich in der Umwelt ab. So gelangen Nano-Röhrchen in die Luft und setzen sich entlang von Strassen in der Umwelt ab. Solche Reifen könnten vielleicht bald auch auf Schweizer Strassen verkehren.

Anatomieprofessor Peter Gehr bedenkt: «Damit würden wir durch den Gummiabrieb ständig Nanoröhrchen in der Umgebung deponieren. Und zwar in sehr, sehr grosser Menge. Und da muss ich sagen, das würde mir Sorgen bereiten. Wenn die dann durch Wind, Fahrtwind und Witterungsaufwirblungen in der Luft sind werden sie eingeatmet. Und das ist garantiert nicht gut.»

Solche Nanopartikel gelangen über Atmung und Blut bis in Zellen und Hirn. Barbara Rothen-Rutishauser konnte sie mit dem Laserrastermikroskop nachweisen. «Je nach Form der Nanoröhrchen konnte man zeigen, dass sie Sauerstoffradikale in der Zelle produzieren, was wiederum zu Entzündungsreaktion führen kann. Es sind momentan sehr viele Studien im Gang in der Schweiz und international, die versuchen, die langfristigen Effekte dieser Kohlenstoffnanoröhrchen auf den menschlichen Körper zu evaluieren».

Nationalfond lässt Nanotechnologie erforschen

Das Nationalfonds-Projekt «NFP 64» soll Chancen erkennen helfen, die aus dem Gebrauch von Nanomaterialien für die menschliche Gesundheit und die Umwelt entstehen. Gleichzeitig soll es die Risiken von Nanomaterialien aufzeigen.

Das «NFP 64» soll

  • Kenntnisse über künstliche Nanomaterialien erlangen, ihre Entwicklung, ihren Einsatz, ihr Verhalten und ihr Risiko.
  • Werkzeuge entwickeln, mit denen das Verhalten von Nanomaterialien  überwacht werden kann.
  • Politikern, Herstellern und Konsumenten Informationen zu Arbeitspraktiken bereitstelle.
  • die in der Schweiz vorhandenen Fachkenntnisse bei der Entwicklung von Nanomaterialien und bei der Risikobeurteilung verbessern.

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