Nach einem Schlaganfall verbrachte die Mutter von Erica Egger ihre letzten Jahre in Pflegeheimen. Einen Grossteil davon im Alters- und Pflegeheim «Madle» in Pratteln. An diese Zeit hat ihre Tochter Erica Egger ungute Erinnerungen. «Es kam mehrfach zu gravierenden Vorfällen in der Pflege meiner Mutter», erzählt sie dem Konsumentenmagazin «Kassensturz».
So erlitt ihre Mutter in der Zeit vier Blasenentzündungen. «Ich musste das Personal jedes Mal darauf aufmerksam machen, niemand hatte die Entzündungen bemerkt.».
Erkrankungen blieben unbemerkt
Mehrfach habe das Personal auch eine Bronchitis übersehen. Ausserdem habe ihre Mutter über längere Zeit Beruhigungsmittel erhalten. «Ohne jegliche Absprache mit uns Angehörigen.»
Bei verschiedenen Besuchen fiel Egger auf, dass die Ruf-Glocke nicht installiert war. «Das gilt in der Pflege als gravierender Vorfall.»
Während Rapport wird nicht auf Glocke reagiert
Auch Edith Siwek kann von Vorfällen mit der Glocke berichten. Ihre Mutter war vor drei Jahren im Madle. Als sie sie bei einem Besuch allein und verzweifelt in einer schwierigen Situation vorfindet, klingelt sie nach einem Pfleger.
«Ich musste über zwanzig Minuten warten. Als der Pfleger endlich kam, meinte er nur, man habe Rapport gehabt und der müsse erst fertig sein, bevor er auf ein Zimmer könne.»
Für Siwek völlig unverständlich. So wie auch die Tatsache, dass auch ihre Mutter über lange Zeit hinweg Beruhigungsmittel erhielt, ohne dass sie als Tochter darüber informiert wurde.
Freiheitsbeschränkende Massnahmen ohne Absprache
Auch Gerd Ruders Mutter war bis vor 2 Jahren Bewohnerin im Madle. In der Zeit habe es mehrere äusserst fragwürdige Pflege-Entscheide gegeben. Zum Beispiel, als man bei seiner Mutter plötzlich freiheitsbeschränkende Massnahmen eingeführt hatte.
«Sie war mit Seitengittern im Bett eingesperrt und verhedderte sich mehr als einmal darin.» Auch das hatte das «Madle» ohne Absprache mit den Angehörigen beschlossen. Ein anderes Mal stürzte seine Mutter und brach sich ein Bein. Weder er noch seine Schwester wurden benachrichtigt.
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Hüftbruch wird lange nicht bemerkt
Andere Angehörige schildern gegenüber «Kassensturz» weitere, teils gravierende Vorfälle. So wurde bei einer Bewohnerin ein Hüftbruch erst nach über einer Woche bemerkt.
Und dies erst, nachdem die Tochter mehrfach insistierte, man solle die Mutter doch gründlich untersuchen.
Überfordertes Personal?
Das Personal habe sich zwar sehr Mühe gegeben, sei aber wohl oft überfordert gewesen, vermutet Erica Egger, selber diplomierte Pflegefachfrau.
«Ich denke, es hatte zu wenig diplomiertes Personal. Deshalb war das Hilfspersonal oft sich selber überlassen». Eine Einschätzung, die von anderen Angehörige geteilt wird.
Angehörige werden als Nörgler abgestempelt
Weil Sie alle ähnliche Erfahrungen machen, schliessen sich mehrere Angehörigen zusammen und suchen das Gespräch mit der Heimleitung. «Das Ziel war, die Situation gemeinsam für die Zukunft zu verbessern», sagt Gerd Ruder.
Weil die Heimleitung keinerlei Interesse zeigt, gelangen die Angehörigen schliesslich an den Stiftungsrat. Erst nach Monaten kommt ein Gespräch zustande. Auch das hätte aber nichts gebracht. Die Angehörigen geben resigniert auf.
Pflegeheim weist Kritik zurück
Aus Datenschutzgründen könne man zu den Einzelsituationen nichts sagen, teilt das Alters- und Pflegeheim «Madle» schriftlich mit. Die Vorwürfe seien damals vom Stiftungsrat und dem Heim ernst genommen und genau geprüft.
«Die Konflikte bestanden zum grössten Teil darin, dass das Heim im Interesse der Bewohner gehandelt hat und nicht voll und ganz nach den Interessen der Angehörigen.»
Aufgrund der Beschwerden habe sich das Heim jedoch intensiv mit der Information der Angehörigen und über Veränderungen in der Pflege auseinander gesetzt. Verbesserungsmassnahmen seien eingeleitet, aber noch nicht vollumfänglich umgesetzt worden.
UBA: Konflikte zwischen Heim und Angehörige sind häufig
Bei der unabhängigen Beratungsstelle für das Alter UBA kennt man das Problem: Konflikte zwischen Angehörigen und Heimen seien bei der Hotline oft ein Thema. «Viele Heime haben immer noch nicht verstanden, dass man die Angehörigen in die Pflege einbeziehen muss», sagt Albert Wettstein von der UBA Zürich.
Es fehle an vielen Orten immer noch an einer Kultur der Zusammenarbeit. «Dabei ist das ein riesiger Gewinn für alle und ich verstehe nicht, warum ein Heim nicht Energie darauf verwendet, Angehörige zu einer Ressource zu machen statt zu einem Problem», sagt Albert Wettstein.
Nicht jeder Kanton bietet eine Ombudsstelle
Hätten die Angehörigen an eine Ombudsstelle wie die UBA gelangen können, wäre die Situation vielleicht anders verlaufen. «Wir können eine Mediation erreichen und dann meistens eine gute Lösung erarbeiten, weil unsere Fachleute auf Augenhöhe mit dem Personal diskutieren kann», sagt Albert Wettstein.
Nur: die UBA ist in Basel-Land nicht aktiv. Und der Kanton bietet bis heute keine eigene Ombudsstelle für Altersfragen. Dabei wäre das eine Massnahme zur Qualitäts-Sicherung, sagt Barbara Gassmann, Vizepräsidentin vom Schweizer Verband der Pflegefachleute SBK. «Wir stellen fest: Nur schon das Vorhandensein einer Ombudsstelle hat einen Einfluss auf die Heime».