Jeder weiss: Medikamente sind im Ausland günstiger als in der Schweiz. Um zu zeigen, wie viel, führen Behörden, Krankenkassen und Pharmaverbände regelmässig einen Preisvergleich durch.
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Dafür vergleichen sie aber nicht etwa den Preis, den Kunden in der Apotheke bezahlen müssen, sondern den viel günstigeren Fabrikpreis.
Beispiel Mimpara: Das Medikament des Herstellers Amgen wird bei Nierenerkrankungen verschrieben. Für eine Schachtel mit 28 Tabletten bekommt Amgen in der Schweiz einen Fabrikpreis von 283.40 Franken. In Deutschland verdient der Hersteller mit dem aktuellen Euro-Kurs umgerechnet 225.35 Franken. Mimpara ist in Deutschland also 20 Prozent günstiger als in der Schweiz.
Der offizielle Vergleich trügt
Jedoch: In Wahrheit bezahlen deutsche Kassen für Mimpara lediglich 189.30 Franken. Das sind nicht 20, sondern 33 Prozent weniger als der Schweizer Fabrikpreis.
Der Blick nach Deutschland zeigt: Die Zahlen des Schweizer Preisvergleichs trügen. Denn in Deutschland sind Fabrikpreise virtuelle Listenpreise, den die Krankenkassen nicht bezahlen müssen.
Der deutsche Staat verlangt von der Pharmaindustrie Rabatte auf kassenpflichtige Medikamente. Zudem handeln Krankenkassen weitere Rabatte mit Medikamenten-Herstellern aus. Weil sie grosse Mengen davon bezahlen, bekommen sie einen besseren Preis. Damit sparen Kassen und Prämienzahler jedes Jahr Milliarden.
Für den deutschen Krankenkassenverband AOK ist klar: Ein Preisvergleich mit den offiziellen deutschen Fabrikpreisen ergibt ein verzerrtes Bild.
Das Vorstandsmitglied des AOK, Helmut Schröder meint: «Für die Schweiz hat das zur Folge, dass Deutschland mit relativ hohen Preisen in die Preisvergleiche reingehen. Das bedeutet , dass die Preise in der Schweiz zu hoch berechnet werden.»
Roche hat hohe Preise in der Schweiz
Ein weiteres Beispiel: Das Krebs-Medikament «Herceptin» von Roche. Für eine Ampulle mit 150mg Trockensubstanz bekommt der Pharmakonzern den Schweizer Fabrikpreis von 971.20 Franken. In Deutschland verdient Roche offiziell umgerechnet 839 Franken. Das sind 14 Prozent weniger. So behauptet es der Preisvergleich der Schweizer Behörden.
Die Wahrheit ist: Nach einem Deutschen, gesetzlich festgelegten Rabatt von 16 Prozent bekommt Roche für Herceptin in Deutschland noch 704.75 Franken. Das ist der Preis, den die Kassen tatsächlich bezahlen. Die Ampulle ist somit nicht 14, sondern 27 Prozent billiger als in der Schweiz.
Der Schweizer Krankenkassen-Verband Santesuisse bedauert, ihm seien in dieser Sache von Gesetzes wegen die Hände gebunden. Man sei aber unglücklich darüber, wie in der Schweiz die Medikamentenpreise festgelegt werden.
Paul Rhyn, Leiter der Kommunikation von Santésuisse meint: «Es ist nicht akzeptabel als Konsument und Prämienzahler, dass man hier überhöhte Preise nimmt zum Vergleich. Diese führen die dann dazu, dass man hier in der Schweiz zu hohe Preise bezahlt. In Deutschland sind Rabatte vorgesehen und die Krankenversicherer dürfen individuell Rabatte aushandeln. Das sind Elemente, die es nicht in der Schweiz gibt. Wir fordern, dass man das auch in der Schweiz machen kann.»
Ein besonders stossendes Beispiel ist der Cholesterin-Senker Sortis von Pfizer: Für eine Schachtel von 100 Tabletten bekommt Pfizer in der Schweiz den Fabrikpreis von 130.40 Franken. Der offizielle Fabrikpreis in Deutschland beträgt umgerechnet 144.25 Franken. Sortis erscheint im Auslandspreisvergleich also 11% teurer als in der Schweiz.
In Deutschland 94 Prozent günstiger
Das hat mit der Realität nichts zu tun: Für Medikamente wie Sortis gilt in Deutschland ein Festpreis von umgerechnet 22.90 Franken Soviel dürfen Krankenkassen maximal bezahlen. Das sind 83% weniger als in der Schweiz.
Darin sind sogar noch die Margen des Zwischenhandels und der Apotheken enthalten. Der Fabrikpreis, den die Hersteller bekommen, ist nochmals viel tiefer: 7.60 Franken. Unglaubliche 94% günstiger.
Krankenkassenexperte Felix Schneuwly sagt dazu: «Bei einem korrekten Preisvergleich wäre das Sparpotenzial für die Schweizer Prämienzahler nochmals um einige hundert Millionen Franken grösser. Die Pharma-Industrie profitiere von diesem Preisvergleich, weil damit ein viel zu hohes Preisniveau etabliert wird.»
Hohes Schweizer Preisniveau wird beibehalten
«Wir als Prämienzahler haben ein Interesse daran, dass wir im Sinn des Krankenversicherungsgesetz Preise zahlen, die zweckmässige, wirksame und wirtschaftliche Medikamente gewährleisten. Und wenn man sozusagen einen erhöhten Preis hat, ist es in dem Sinn nicht mehr zweckmässig aber auch nicht mehr wirtschaftlich,» sagt Schneuwly weiter.
Ironisch fügt er an: «Wer Standortförderung für die Pharmaindustrie machen will, darf das nicht über die Prämien der Krankenkassen tun. Die sind schon hoch genug.»
Doch all die guten Argumente interessieren die Pharma-Industrie nicht. Der Geschäftsführer von Interpharma, Thomas B. Cueni, bestreitet, dass der offizielle Preisvergleich viel zu geringe Unterschiede bei den Medikamentenpreisen vortäusche: «Es ist überhaupt nicht täuschend, sondern das Grundprinzip von diesem Preisvergleich, dass man die Listenpreise nimmt. In diesen sind kurzfristig verfügte Rabatte nicht einbezogen,» sagt Thomas B. Cueni.
Solange die Pharmaindustrie und Behörden Preise mit dem Ausland vergleichen, die mit der Realität nur wenig zu tun haben, bezahlen Schweizer Konsumenten die Zeche.