Angie Neuhaus kann es immer noch nicht glauben, dass ihre Schwester Monika tot ist. Diese verstarb anfangs Februar in einem Spital im Kanton Zürich. Ursprünglich musste die 66-jährige wegen eines Krebsleidens ins Spital. «Die Ärzte sagten, dass der Krebs nicht mehr gewachsen sei und dass meine Schwester noch manches Jahr leben könne», erzählt Angie Neuhaus.
Ansteckung mit multiresistentem Keim
Doch es kam anders. Ihre Schwester verstarb innert weniger Wochen an den Folgen einer Infektion. Die Patientin hatte sich mit dem Bakterium Enterococcus faecium angesteckt.
Ein klassischer Spitalkeim, der gerade für Patienten mit geschwächtem Immunsystem sehr gefährlich ist, weil er gegen Antibiotika resistent ist. Beweisen lässt es sich kaum, ihre Familie ist aber überzeugt, dass die Verstorbene sich im Spital ansteckte.
«Vom Personal hat sich jeweils niemand die Hände desinfiziert, wenn die ins Zimmer kamen. Obwohl sie von Patient zu Patient gingen. Dabei stand das Desinfektionsmittel auf dem Lavabo», sagt Neuhaus.
Ein Drittel der Infektionen wären vermeidbar
Rund 70‘000 Menschen jährlich erkranken an einer Spitalinfektion. 2000 davon sterben, schätzen Fachleute. «Diese Zahlen könnte man um einen Drittel senken», sagt Professor Andreas Widmer in der Sendung «Kassensturz».
Laut dem Leiter der Abteilung für Spitalhygiene am Universitätsspital Basel wäre dies möglich durch konsequente Einhaltung der Hygienemassnahmen. Nicht alle Spitäler würden dies gleich gut machen, sagt Widmer.
«Es gibt immer noch Spitäler, die keinen spitalhygienischen Dienst haben. Das ist mit den heutigen Erkenntnissen, wonach die Infektionsrate so deutlich gesenkt werden könnte, nicht mehr haltbar».
Erstaunlich: Spitäler werden kaum vor Ort kontrolliert
Service:
In den seltensten Fällen kontrollieren die zuständigen Kantonsbehörden die Spitäler vor Ort. Das zeigt eine aktuelle Umfrage des Internetvergleichsdienstes Comparis.
Lediglich sechs Kantone kontrollieren demnach regelmässige vor Ort in den Spitälern. Vier Kantone gaben an, «schon einmal» oder «nach Bedarf» vor Ort zu prüfen. Sechs Kantone machen das gar nicht. Zehn Kantone wollten die Fragen nicht beantworten.
Prinzip Vertrauen statt Kontrolle
«Die meisten Kantone setzen zu sehr auf das Prinzip Vertrauen», kritisiert Felix Schneuwly von Comparis. Nur wenige kontrollierten vor Ort, ob minimale Hygienestandards auch tatsächlich eingehalten werden.
«Und das ist doch relativ skandalös. Restaurantküchen werden strenger kontrolliert als Operationssäle. Hier geht es um vermeidbare Todesfälle, also keine Lappalie.»
Kantone können selber entscheiden
Diese Kritik will Carlo Conti, Präsident der Kantonalen Gesundheitsdirektoren-Konferenz, nicht gelten lassen.
Verantwortlich für die Qualität und damit auch die Hygiene seien letztendlich die Spitäler, nicht die Behörden. «Ein Kontrollorgan muss nicht noch einmal dasselbe machen, was die verantwortlichen Stellen (im Spital) auch schon gemacht haben.
Es muss aber überprüfen, ob dies gemacht wurde und ob es korrekt gemacht wurde.» Ob Kontrollen vor Ort gemacht werden müssen, liege im Ermessen der jeweiligen Kantonsbehörden.