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«Kassensturz»-Zuschauer Paul Marty ist oft in Spanien. Ab und zu kauft er dort auch Medikamente. Über die Preisunterschiede zur Schweiz kommt er aus dem Staunen fast nicht mehr raus.
Eine Packung (40 Stück) des Schmerzmittels «Voltaren» des Schweizer Herstellers Novartis beispielsweise kostet in Spanien umgerechnet 4 Franken 20. In der Schweiz kostet die gleiche Menge 28 Franken. Sieben mal so viel. «Das ärgert mich. Weil es ist eins zu eins das gleiche Medikament, mit der gleichen Dosis vom gleichen Hersteller!», sagt Marty.
Kein Einzelfall, sondern die Regel
Ein aktueller Preisvergleich des Preisüberwachers zu Herz-Kreislauf-Präparaten bestätigt einmal mehr: «Dass die Schweiz in allen Kategorien, also patentgeschützte und patentabgelaufene Medikamente wie auch Generika, klar teurer ist als das Ausland», so Preisüberwacher Stefan Meierhans.
Generika besonders teuer
Massiv fällt der Preisunterschied bei den Generika aus. Das sind Nachahmerprodukte mit dem identischen Wirkstoff wie das Originalmedikament. Beispiel Cholesterin-Hemmer Atorvastatin des Herstellers Actavis: Eine Packung mit 100 Tabletten kostet in der Schweiz 68.80 Franken. In Holland kostet das günstigste Generikum mit dem gleichen Wirkstoff nur unglaubliche 4.65 Franken.
In den sechs Ländern, mit denen das BAG die Preise der Original-Medikamente vergleicht (Deutschland, Österreich, Frankreich, Niederlande, Dänemark und Grossbritannien) liegt der Durchschnittspreis bei 21.70 Franken. Das heisst: in der Schweiz zahlen Patienten für das Generikum 217% mehr!
Die vom Preisüberwacher verglichenen Herz-Kreislauf-Generika kosten in der Schweiz im Schnitt 3 mal soviel wie wie den Vergleichsländern.
Hersteller schieben Schuld auf Vorgaben
Warum sind Generika im Vergleich dermassen überteuert? Das liege an den Vorgaben des Gesetzgebers, sagt Thomas de Courten, SVP-Nationalrat und Präsident von Intergenerika, dem Verband der Generika-Hersteller.
«Wir haben zusätzliche Vorschriften bezüglich der Darreichungsformen, und in der Palette, die erfüllt sein müssen. Ebenso in Bezug auf Konzentration und Wirkstoff. Wir haben zusätzliche Vorschriften bezüglich Verpackung. All das führt dazu, dass die Kosten in der Schweiz wesentlich höher sind.»
Festbetrags-System soll Preise drücken
Das stimme so nicht, sagt dazu Oliver Peters, Vizedirektor des Bundesamtes für Gesundheit. «Diese Auflagen sind sicher kein genügender Grund, um die Differenzen zu erklären». Die Medikamenten-Preise sollen sinken, findet auch der Bundesrat. Deshalb will das Amt im Auftrag des Bundesrates das sogenannte Festbetrags-System einführen.
Das heisst: Für Wirkstoffe, bei denen der Patentschutz abgelaufen ist, müssten Krankenkassen künftig nur noch einen festen Betrag vergüten. Und zwar den eines günstigen Generikums. Auch für Originalmedikamente.
Sehr grosses Sparpotential
Würde jeweils der Preis des günstigsten Generikums massgebend, könnten die Kassen laut Preisüberwacher Stefan Meierhans jährlich mindestens 400 Millionen Franken einsparen. Zu Gunsten der Prämienzahler. Das System würde Anreize zum Sparen setzten: Wenn die Kassen nur noch den Preis eines Generikums vergüten, würden die Patienten vermehrt zum Festbetrags-Medikament greifen.
«Aber viel wichtiger ist, dass die Unternehmen dann ihre Preise dem Festbetrags-Preis angleichen müssen. Weil sie nicht keine Marktanteile verlieren wollen», sagt Preisüberwacher Meierhans.
Ob tatsächlich so viel gespart werden könnte, hängt von der konkreten Ausgestaltung des Festbetrags-Systems ab. Das Parlament wird darüber zu entscheiden haben. Oliver Peters vom BAG dämpft aber schon mal allzu grosse Erwartungen: «Wir werden uns nicht am billigsten Generika ausrichten. Weil das würde bei Patienten zu allzu häufigen Wechseln von ihren Medikamenten zwingen.»
Interpharma schürt Ängste
Der Verband der forschenden Pharma-Unternehmen zeigt sich gegenüber dem Festbetrags-System sehr skeptisch. Man sei zwar nicht grundsätzlich gegen einen Systemwechsel bei den Preisen.
«Wir sind aber ganz klar gegen Billigstmedizin, wie es der Preisüberwacher will», sagt Geschäftsführer Thomas Cueni. «Wenn die Patienten je nachdem mehrmals im Jahr auf ein neues Medikament umgestellt werden müssen und deshalb die Medikamente nicht mehr einnehmen, sind die Folgekosten potentiell höher.»
Gute Erfahrungen im Ausland
Diese Schwarzmalerei kann Preisüberwacher Stefan Meierhans nicht nachvollziehen. Das Festbetragssystem gebe es mittlerweile in über 20 Ländern in Europa. Man habe damit gute Erfahrungen gemacht. Studien würden belegen, dass die Therapien nicht schlechter geworden seien. «Und insbesondere konnte man einen bedeutenden Beitrag zur Kosteneinsparung leisten.»