Einen Körper mit Röntgenstrahlen durchleuchten zu können, ohne ihn dafür aufschneiden zu müssen, war ein grosser medizinischer Durchbruch. Dass die ionisierenden Strahlen den Organismus auch beschädigen können, war aber lange Zeit nicht bekannt. Die Strahlen wurden anfangs sogar als kosmetisches Enthaarungsmittel angepriesen. In vielen Schuhgeschäften stand bis in die 1970er Jahre ein Holzkasten, wo man durch ein Guckloch sein Fuss-Skelett bestaunen konnte.
Röntgenschwester Leonie Moser
Bis 1959 wurden Ärzte und Krankenschwestern, die an den Folgen der Strahlen starben, in sogenannte Ehrenbücher eingetragen. Die Röntgenschwester Leonie Moser war die letzte eingetragene Schweizerin, sie starb 1959 mit 61 Jahren in Zürich. Krankhaft abgemagert, litt sie an einer Brustfellentzündung und Blutarmut. Eine erfahrene Röntgenschwester konnte zu ihrer Zeit nur an der Fluoreszenz und am Knistern der Röhre feststellen, ob das Röntgenbild genügend «hart» oder «weich» war. Als erste Röntgenröhren mit Blei abgeschirmt wurden, reimte Leonie Moser: «Bleiglas reichlich angewandt. Schützet uns vor Röntgenbrand. Auch hat man das Wohlgefühl. Es wird jetzt keiner mehr steril.»
Weniger Strahlen dank technischem Fortschritt
Die Strahlenbelastung des medizinischen Personals in der Radiologie und der Kardiologie wird regelmässig überprüft. In Herzzentren, wo bei Eingriffen regelmässig Röntgenbilder gemacht werden, wird die Belastung dank technischen Neuerungen laufend kleiner. Bleivorhänge, Bleiglas, Schutzschürzen und selbst eine Schutzbrille mit Bleiglas gehören aber nach wie vor zur persönlichen Ausrüstung, wenn ein Eingriff zum Beispiel wegen Herzkranzgefäss-Erkrankungen ansteht.
Ein Dosimeter überprüft, ob die Grenzwerte überschritten werden. «Es geht darum, die Strahlenbelastung ständig so gering wie möglich zu halten», sagt Michael Zellweger, Herzspezialist am Universitätsspital Basel und Vizepräsident der Schweizerischen Gesellschaft für Kardiologie. Allerdings mache man sich manchmal schon Gedanken über das eigene Gesundheitsrisiko, etwa wenn ein Berufskollege an einer Tumorerkrankung in der linken Gesichtshälfte leidet. Das könnte ein Indiz dafür sein, dass ein Zusammenhang mit der täglichen Arbeit besteht. Denn der Arzt steht beim Eingriff rechts vom Operationstisch. Damit ist seine linke Gesichtshälfte einer stärkeren Bestrahlung ausgesetzt.