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Bundesgerichtsurteil Psychiatrische Grundpflege muss entschädigt werden – doch es hakt

Pflegende Angehörige dürfen ihre Arbeit auch bei psychiatrischer Grundpflege abrechnen. Das hat das Bundesgericht entschieden. Eine SRF-Recherche zeigt jedoch, wie zermürbend die Verhandlungen mit den Krankenkassen für Betroffene sein können.

Das Bundesgericht hat einen Grundsatzentscheid gefällt: Angehörige, die psychiatrische Grundpflege leisten, haben Anspruch auf Vergütung durch die Grundversicherung der Krankenkasse. Bisher galt das nur für körperliche Pflege. Der Entscheid betrifft potenziell Tausende Familien in der Schweiz.

Michael Meier, Sozialversicherungsrechtler an der Universität Zürich und der Universität Luzern, spricht von einem Meilenstein: «Das Urteil hat politisch und finanziell eine enorme Sprengkraft. Das Bundesgericht hat noch einmal festgehalten, dass Angehörige Grundpflegeleistungen zu Lasten der Krankenkassen erbringen können.»

Assistenzbeiträge der IV reichen nicht aus

Edith Friedli hat stellvertretend für ihren Sohn Samuel das Bundesgerichtsurteil erstritten. Der 25-jährige Samuel Friedli hat seit Geburt eine Autismus-Spektrum-Störung und das Fragile-X-Syndrom. Er lebt ausserhalb des Heims, selbstständig in einer eigenen Wohnung. Möglich ist das nur dank der täglichen Unterstützung seiner Mutter.

Für sein Leben ausserhalb des Heims erhält Samuel Friedli 140'000 Franken pro Jahr von der Invalidenversicherung. Damit kann er sogenannte Assistenzpersonen für seine Unterstützung anstellen. Doch diese Mittel reichen nicht aus, um die umfassende Betreuung zu finanzieren. Ein Heimaufenthalt würde deutlich mehr kosten. Ein grosser Teil der psychiatrischen Grundpflege übernimmt Edith Friedli – bisher unbezahlt.

Rund sieben Stunden täglich begleitet sie ihren Sohn, strukturiert seinen Alltag, hilft bei Entscheidungen, sorgt für Stabilität. Diese Arbeit sollte nun – gemäss Bundesgericht – entschädigt werden.

Krankenkasse verweigert Zahlung

Die zuständige Krankenkasse, die EGK, bestreitet jedoch den Umfang der Leistungen und bemängelt die Pflegedokumentation. Eineinhalb Jahre nach dem Bundesgerichtsurteil, vom Mai 2024, ist noch keine Zahlung erfolgt. Der Fall zeigt: Die Umsetzung des Urteils ist komplex. «Ich hätte nie gedacht, dass das so mühsam wird», sagt Edith Friedli.

Die EGK schreibt gegenüber SRF: Die Pflegedokumentation in diesem konkreten Fall sei mangelhaft. Edith Friedli, wird stellvertretend für ihren Sohn, erneut vor Gericht gehen müssen, um den Umfang der Leistungen zu klären.

Stellungnahme Krankenkasse EGK

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Die EGK-Gesundheitskasse schreibt gegenüber SRF «Kassensturz», sie könne nicht beurteilen, welche Pflegeleistungen wann und von wem erbracht worden seien und ob diese von der Krankenversicherung übernommen werden müssten. Die eingereichten Pflegedokumentationen seien laut EGK bis heute ungenügend.

Weil unklar sei, ob teilweise doppelt abgerechnet worden sei, etwa gegenüber der Invalidenversicherung, prüfe die Kasse den Fall derzeit vertieft. Solange diese Abklärungen liefen, würden keine Zahlungen geleistet.

Krankenkassenverband fordert klare Regeln

Der Krankenkassenverband Prio Suisse begrüsst die Ausweitung der Angehörigenpflege grundsätzlich. Gleichzeitig fordert er eine bessere gesetzliche Grundlage für die Abrechnung.

«Die Angehörigenpflege leistet einen wichtigen Beitrag. Wir setzen uns mit Spitex Schweiz dafür ein, dass der Bundesrat die Verordnung besser definiert, etwa die Abgrenzung zwischen Grundpflege und sonstiger Betreuung», sagt Saskia Schenker von Prio Suisse.

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Espresso, 28.10.25, 8:10 Uhr

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