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Kein Flug, kein Geld zurück «Die Swiss versucht, den Gast abzuwimmeln»

Bei einer Flugannullation haben die Passagiere grundsätzlich Anrecht auf eine Entschädigung. Die Swiss kümmert das nicht. Sie bezahlt einem Passagier das geschuldete Geld, einer Passagierin vom selben Flug aber nicht.

«Ich fühle mich für dumm verkauft», sagt Monika Hürlimann und meint damit die Swiss. «Ich erwarte, dass die Swiss mich gleichbehandelt, wie meinen Schwager», schliesslich hätten sie im gleichen Flugzeug gesessen.

Zehn Stunden Verspätung

Monika Hürlimann und ihr Schwager Gregor Herger planen gemeinsam mit ihren Ehepartnern eine Reise nach Kopenhagen. Ein entspanntes Familientreffen steht an, mit dem Sohn von Gregor Herger, der in Dänemark studiert.

Doch das Flugzeug muss nach kurzer Flugzeit nach Zürich zurückkehren. Ein Problem mit dem Autopiloten. Der Flug wird annulliert und Herger/Hürlimanns können erst spätabends, mit einer Ersatzmaschine, die Reise nach Kopenhagen antreten.

«Wir erreichten Kopenhagen erst mit zehnstündiger Verspätung und haben damit einen ganzen Ferientag verloren», sagt Gregor Herger.

Was können Passagiere unternehmen?

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Wer sein Recht als Fluggast verletzt sieht, kann beim Bundesamt für Zivilluftfahrt (Bazl) eine Anzeige einreichen .

Dies betrifft ausschliesslich Probleme im Flugverkehr (Annullierungen und grosse Verspätungen) sowie die Passagier-Beförderungspflicht der Airlines.

Nicht zuständig ist das Bazl bei Beschwerden zum Gepäcktransport sowie zu Flugtickets, Sitzplatzreservationen oder Sicherheitskontrollen am Flughafen.

Stellungnahme des Bazl zum Fall Hegerer

«Das Bazl hat aufgrund der Anzeige von Herrn und Frau Herger, wie in solchen Fällen üblich, je ein Verwaltungsstrafverfahren eingeleitet und am 19.12.2023 von der Fluggesellschaft Swiss eine Stellungnahme verlangt. Diese hat am 25.01.2024 eine umfassende Stellungnahme abgegeben. Die Prüfung derselben ergab, dass Swiss ihre Verpflichtungen gegenüber den Flugpassagieren (inkl. Zahlung einer Ausgleichsleistung) gemäss Fluggastrechteverordnung EU261/2004 erfüllte. Das BAZL konnte keinen Verstoss gegen die Fluggastrechteverordnung feststellen und schloss beide Verfahren ab.» Quelle: Bazl, 9.4.2024

Durch die – nachträgliche – Entschädigungszahlung an das Ehepaar Herger hält sich die Swiss in diesem Fall somit an die geltende Fluggastrechteverordnung.

Ein klarer Fall? Nicht für die Swiss

Ein klarer Fall gemäss Fluggastrechteverordnung, die vorsieht, dass bei einem technischen Defekt mit Annullations-Folge ein Entschädigungsanspruch besteht.

Gregor Herger ist daher verwundert, als seine Entschädigungsforderung bei der Swiss ins Leere läuft: Die Swiss lehnt die Ausgleichszahlung – zunächst – kategorisch ab.

Das gilt in der Schweiz

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Die Fluggastrechteverordnung der EU gilt auch für die Schweiz. Darin ist geregelt, welche Unterstützungsleistungen und Entschädigungsleistungen Fluggesellschaften gegenüber ihren Fluggästen zu erbringen haben. Grundsätzlich entschädigungspflichtig sind grosse Flugverspätungen, Flug-Annullierungen, verpasste Anschlussflüge und Überbuchung. Die Entschädigung reicht von 250 bis 600 Euro pro Passagier, je nach Flugdistanz.

Keine Entschädigung gibt es dann, wenn die Airline nicht für die Annullation verantwortlich ist. Also bei aussergewöhnlichen Umständen wie Wetterstörungen, Vogelschlag oder ein Fluglotsenstreik.

«Ich bin Rechtsanwalt und lasse mich nicht abspeisen. Vor allem, wenn man weiss, dass man einen Rechtsanspruch hat», begründet Gregor Herger seinen Willen, der Swiss die Stirn zu bieten.

Der Jurist interveniert beim Bundesamt für Zivilluftfahrt Bazl, der Aufsichtsbehörde über die Fluggesellschaften. Diese leitet eine Untersuchung ein und verlangt von der Swiss eine Stellungnahme zum Fall.

«Kassensturz» ist an Ihrer Meinung interessiert

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Anderthalb Monate lang hört Gregor Herger nichts mehr. Und dann fliesst plötzlich Geld. 470 Franken für ihn und seine Frau, kommentarlos überwiesen von der Swiss. Dies entspricht dem Tarif (umgerechnet in Schweizer Franken) der Fluggastrechteverordnung für annullierte Kurzstrecken.

Gleicher Flug, kein Geld

Monika Hürlimann, Hergers Schwägerin und Mitpassagierin, reicht daraufhin ebenfalls eine Entschädigungsforderung für sich und ihren Ehemann ein. Die Swiss lehnt ihren Antrag jedoch ab.

Flugrechtsexperte Simon Sommer vom Reiserechts-Portal Cancelled.ch kennt solche Fälle. Die Airlines würden alles unternehmen, um nicht zahlen zu müssen: «Die Flugbranche ist hart umkämpft. Jeder Franken, den sie nicht bezahlen muss, ist attraktiv für sie.» Und: «Wenn auf dem gleichen Flug Passagiere eine Zahlung erhalten und andere nicht, ist das stossend.»

So reagiert die Swiss

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Swiss betont auf Anfrage von Kassensturz, dass «weitere eingereichte Entschädigungsforderungen zu diesem Flug analog behandelt werden, sprich die Fluggäste eine Entschädigung erhalten». Das heisst: Alle Passagiere des Fluges LX1270 vom 1.12.2023 nach Kopenhagen haben einen Anspruch auf Entschädigung.

Dieser Link führt zum entsprechenden Formular .

«Kassensturz» hat bei der Swiss zum Fall Herger/Hürlimann eine Stellungnahme eingeholt und wollte wissen, weshalb dem Passagier zunächst eine Entschädigung verweigert worden war. Die Swiss schreibt:

«Der Flug wurde aufgrund eines technischen Defekts annulliert. Da bei der ersten Prüfung nicht direkt ersichtlich war, dass das Flugzeug zeitnah wieder hätte eingesetzt werden können, wurde die Entschädigungsanfrage von unserem Kundendienst abgelehnt. 

Der Kunde hatte sich nach unserem Entscheid ans BAZL gewandt. In der Folge hat SWISS intern eine vertiefte Recherche vorgenommen. Dabei bestätigte sich zwar, dass der Flug wie erwähnt aufgrund eines unvermeidbaren technischen Defekts annulliert wurde und grundsätzlich keine Entschädigungsgrundlage vorlag. Allerdings zeigte sich, dass das Flugzeug relativ zeitnah wieder in den Dienst gestellt werden konnte, sodass der Flug nicht zwingend hätte annulliert werden müssen.

Aus diesem Grund haben wir unseren Entscheid revidiert und Herrn und Frau Herger die Entschädigung ausbezahlt.»

Warum der Entschädigungsantrag von Monika Hürlimann und ihrem Mann, die im gleichen Flugzeug waren, abgelehnt wurde, begründet Swiss so:

 «Grundsätzlich wurden die Fluggäste in beiden Fällen gleichbehandelt. Das heisst, aufgrund des unvermeidbaren technischen Ursprungs der Flugstreichung wurde eine Entschädigungszahlung seitens Kundendienst abgelehnt.

Die Information, dass der Entscheid aufgrund einer internen Recherche revidiert wurde, ist leider nicht zum Kundendienstmitarbeitenden von Frau Hürlimann gelangt. Dafür entschuldigen wir uns und werden unsere Prozesse dahingehend prüfen, sodass zukünftig ein unterschiedlicher Wissensstand bezüglich desselben Fluges in der Kundenbetreuung verhindert werden kann. Frau Hürlimann werden wir die Entschädigung selbstverständlich ebenfalls noch ausbezahlen.»

Der Kundendienst der Swiss sorgt seit Jahren für Missmut bei den Fluggästen. In einem «Kassensturz»-Beitrag zum Thema aus dem Jahr 2022 sagt Mediensprecherin Karin Montani: «Wir haben Millionen in den Kundendienst investiert, um bis Ende Jahr wieder auf jenem Niveau zu sein, wie man es von der Swiss erwarten darf.»  Heute, zwei Jahre später, scheint die Swiss ihren eigenen Ansprüchen immer noch nicht gerecht zu werden.

Nach der Anfrage von «Kassensturz» kommt Bewegung in den Fall Hürlimann: Die Swiss entschuldigt sich in ihrer Stellungnahme und schreibt, dass ein internes Kommunikationsproblem vorgelegen hätte. Selbstverständlich werde Frau Hürlimann ihr Geld erhalten. Und ganz wichtig: Auch alle anderen Passagiere des Fluges LX1270 vom 1.12.2023 nach Kopenhagen hätten Anspruch auf eine Entschädigung (siehe Infobox 3).

Espresso, 7.5.2024, 8:10 Uhr

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