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Kein Geld von der Versicherung Wenn der Unfall zum finanziellen Debakel wird

Ein Patient muss 15'200 Franken zahlen – Unfallversicherer hatte Kosten für die Knieoperation kurzerhand abgelehnt.

Es hätte ein entspannter Urlaub in Spanien werden sollen, als Simon T. im Frühling 2022 nach Cadaqués reist. Doch dann stürzt er mit zwei vollen Einkaufstaschen die Treppe hoch und verletzt sich am Knie.  Diagnose: Meniskusriss.

Zum Glück privat versichert

Durch seinen Arbeitgeber ist Simon T. bei der Mobiliar privat unfallversichert. Ein Glück, denkt er. Der Meniskusriss wird zunächst mit Physiotherapie behandelt, was die Mobiliar anstandslos bezahlt. Nach einer weiteren Untersuchung stellen die Ärzte der Schulthess-Klinik zudem einen Knorpelschaden fest. Eine Operation im November 2022 soll Abhilfe schaffen.  

«Kassensturz» ist an Ihrer Meinung interessiert

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Unfallversicherung lehnt Kostenübernahme plötzlich ab

Die Schulthess-Klinik beantragt die Kostengutsprache für die Operation bei der Unfallversicherung zwei Monate vor der Operation, wie sie gegenüber «Kassensturz» schreibt.

Doch dann – gerade einmal zwölf Stunden vor dem OP-Termin – lehnt die Mobiliar den Eingriff plötzlich ab. Grund: Nebst Meniskusriss und Knorpelverletzung soll auch eine angeborene Fehlstellung im Knie korrigiert werden, die seit dem Unfall Probleme verursacht. Da dies eine Vorerkrankung ist, lehnt die Mobiliar den Fall ab.

Simon T. erfährt davon am Abend vor der Operation: «Die Dame von der Schulthess-Klinik sagte am Telefon, ich müsse am nächsten Morgen bei Eintritt ein Formular unterschreiben, oder ich würde nicht operiert.» Nach Rückfrage bei seinem Versicherungsberater, einem unabhängigen Experten, unterschreibt er. «Ein riesengrosser Fehler», sagt Simon T. heute.

Mobiliar entschuldigt sich und bleibt beim Entscheid

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Nur zwölf Stunden vor Spitaleintritt erfährt Patient Simon T. davon, dass der Versicherer die Operationskosten nicht übernimmt. Die Unfallversicherung Mobiliar schreibt gegenüber «Kassensturz»: «Für diese Verzögerung entschuldigen wir uns in aller Form. Nach der Berichtsanfrage der Schulthess-Klinik hat unser beratender Arzt die medizinischen Unterlagen umgehend beurteilt. Seine Beurteilung wäre gleich ausgefallen, wäre sie früher erfolgt».

Die Geschäftsführerin der Schweizerischen Patientenorganisation SPO Susanne Gedamke sieht ähnliche Fälle häufig: «Wir haben konstant Anfragen, bei denen sich sogar erst im Nachhinein herausstellt, dass die Kosten nicht übernommen werden. Das heisst, wenn die Behandlung schon passiert ist. Patienten bleiben dann auf höheren Kosten sitzen.» Daran hat auch eine Gesetzesrevision im Jahr 2017 kaum etwas geändert.

Gesetzesrevision schafft keine Abhilfe

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Eine Gesetzesänderung hätte 2017 für Unfallpatientinnen und -patienten Erleichterung verschaffen sollen. Weil Versicherungen zuvor Meniskus & Co. oft als Krankheit einstuften und die Behandlungskosten ablehnten, wurde das Unfallversicherungsgesetz angepasst ( Kassensturz-Artikel vom Januar 2017 )

Die erhofften positiven Auswirken blieben jedoch aus, wie der Blick in die Statistik zeigt. Sowohl vor 2017 wie danach, blieb die Zahl der abgelehnten Fälle gleich hoch. Das heisst, dass jedes Jahr rund 35‘000 Verletzte keine Zahlungen von den Unfallversicherungen erhalten.

Die Geschäftsführerin der Schweizerischen Patientenorganisation SPO, Susanne Gedamke, bestätigt dies: «Aus unserer Sicht ist seither keine Erleichterung eingetroffen. Wir haben den Eindruck, dass sich nichts zum Positiven verändert hat. Wir haben nicht weniger Anfragen. Die Problematik scheint immer noch zu bestehen.»

Simon T. bleibt nun auf Kosten von 15‘200 Franken sitzen, weil er in der Hektik des Operationsmorgens das Klinikformular unterschrieb. Damit willigte er auch ein, bei einer abgelehnten Kostengutsprache der Unfallversicherung die Zusatzkosten für die Privatbehandlung zu übernehmen.

Die Schulthess-Klinik schreibt «Kassensturz», dass man dem Patienten am Operationstag drei Möglichkeiten angeboten habe; den Eingriff zu verschieben, als Allgemeinversicherter einzutreten und dabei einen Ärztewechsel in Kauf zu nehmen, oder das Einverständnis zur Kostenübernahme.

Die Rechnung flattert einen Monat nach der Knieoperation ins Haus. Die Schulthess-Klinik, welche den Fall von Anfang an als Unfall behandelt und gegenüber der Versicherung kommuniziert hatte, schreibt nun als Behandlungsgrund: Krankheit. Nun soll die Krankenkasse bezahlen. Weil er dort nur grundversichert ist, bleibt er auf den hohen Zusatzkosten sitzen.

Simon T. ist frustriert: «Bis am Tag vor der Operation hat mich niemand darauf hingewiesen, dass die Kostenfrage kritisch ist. Und ich stehe jetzt da mit einer gigantischen Rechnung.»

Kassensturz, 31.01.23, 21:05 Uhr

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