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Mietende tappen im Dunkeln Vermieter legen Mietzins-Rendite nicht offen

Nur Vermieter verfügen über Rendite-Unterlagen. Doch diese kommen ihrer Mitwirkungspflicht bei Schlichtungen kaum nach.

Im Juni letzten Jahres hat Stefanie Pfändler zusammen mit ihrem Mann den Anfangsmietzins wegen übersetzten Ertrags angefochten. 2190 Franken netto verlangte die Kornhaus Verwaltungs AG für die 78 Quadratmeter grosse Wohnung. Sie verfügt über Parkett und Balkon, aber keine Extras. Die Vormieterin bezahlte 1350 Franken, ganze 840 Franken weniger. Stefanie Pfändler erinnert sich: «Wir fanden, das ist eine Wahnsinnserhöhung und haben dann über den Mieterverband eine Einsprache gemacht.»

So wird die Nettorendite berechnet

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Das Beispiel: Für Bauten mittleren Alters, die nicht länger als 30 Jahre im gleichen Besitz sind, gilt die Nettorendite als massgebend. Zum Beispiel eine Vier-Zimmerwohnung mit Anlagekosten von total 800'000 Franken. Sie darf jetzt maximal 2433 Franken kosten.

Die Berechnung: 2433 Franken mal zwölf ergeben Nettomietzinseinnahmen von 29'196 Franken pro Jahr. Die Hypothekarzinsen, Unterhalt und laufende Kosten werden von den Nettomietzinseinnahmen abgezogen.

Das ergibt einen jährlichen Netto-Mietzinsertrag der Vier-Zimmerwohnung von 11'960 Franken. Der Nettomietzinsertrag wird mit hundert multipliziert und durch das Eigenkapital dividiert, dann ergibt dieses Beispiel eine derzeit zulässige Nettorendite von 3.75 Prozent.

Vermieter legen keine Unterlagen vor

Pfändlers Anwalt beantragte, dass die Kornhaus Verwaltungs AG die Unterlagen für die Nettorendite der Wohnung offenlegen müsse. Doch mit dem, was dann an der Schlichtungsverhandlung kam, hatte Stefanie Pfändler nicht gerechnet: Als sie dort waren, lagen keinerlei Unterlagen vor. «Das wurde nicht gerügt und auch nicht nachgefordert. Man nahm das einfach zur Kenntnis von Seiten Schlichtungsstelle. Ich war schockiert, dass man dem einfach nicht Folge leistet. Aber das ist offenbar so.»

Das sagt das Mietrecht

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Mietzins orientiert sich an Kosten: Der Ertrag eines Mietzinses darf nicht übersetzt sein, so sagt es das Gesetz. Der Mietzins muss sich in erster Linie an den Kosten orientieren. Doch das Mietrecht ist kompliziert. Für Immobilien, die mindestens 30 Jahre in der gleichen Hand sind, hat gemäss Bundesgerichtsrechtsprechung die Quartier- und Ortsüblichkeit Vorrang. In Zentren wie Zürich mit stark steigenden Mietzinsen ist das eher ein Kriterium zu Gunsten der Vermieter, auch wenn der Nachweis als schwer zu erbringen gilt.

Für alle anderen Mietimmobilien ist die Rendite massgebend. Bei Neubauten bis zehnjährig ist es die Bruttorendite und bei allen anderen die Nettorendite. Letztere orientiert sich am Referenzzinssatz und darf aktuell 3.75 Prozent nicht übersteigen. Bei einem Referenzzinssatz von aktuell 1.75 Prozent dürfen gemäss Bundesgerichtsentscheid zwei Prozent dazu gezählt werden.

Die Vermieterpartei hat gemäss Bundesgerichtsentscheid zwar eine Mitwirkungspflicht. Doch macht auch Mieteranwalt Andreas Béguin aus Basel immer wieder die Erfahrung, dass Renditeunterlagen selten eingereicht werden oder nicht aussagekräftig sind: «Ich weiss auch, dass gewisse institutionelle Vermieter die Praxis haben: Es gibt keine Unterlagen auf der Stufe Schlichtungsstelle.»

Auf Schlichtungsstufe kaum Unterlagen

«Kassensturz» fragte bei mehreren Schlichtungsbehörden nach: Kann sich die Mieterschaft auf Schlichtungsstufe überhaupt ein Urteil über die Mietzins-Rendite bilden? Die Antworten sind ernüchternd: Viele Schlichtungsstellen erfassen diese Fälle nicht so genau. Solothurn, Basel-Landschaft, Horgen und St. Gallen können detaillierter antworten. Generell bestätigen aber fast alle: Vermieter legen die Unterlagen grösstenteils nicht vor, auch wenn darum ersucht wurde.

Das sagt die Immobilienfirma Kornhaus Verwaltungs AG

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«Die Kornhaus Verwaltungs AG hat langjährige Erfahrung im Management von Wohn- und Geschäftsimmobilien. Ihre Geschäftspolitik und -praxis orientiert sich konsequent am geltenden Recht und an berechtigten Interessen ihrer Mieterinnen und Mieter. Ihnen wird partnerschaftlich der gebührende Respekt entgegengebracht. Aus Gründen der Vertraulichkeit und des Persönlichkeitsschutzes kann zu individuellen Mietverhältnissen keine Auskunft gegeben werden.»

Die Schlichtungsbehörde Kanton Basel-Landschaft schreibt: «In 993 von 1000 Fällen wurden die beantragten Unterlagen (noch) nicht eingereicht.» Dennoch schreiben viele Behörden: «Grundsätzlich hat es im Rahmen des Schlichtungsverfahrens keine Konsequenzen.»

Druck durch Gegenanwalt

Die Schlichtungsverhandlung selbst erlebte Stefanie Pfändler als sehr unangenehm: «Der Anwalt der Gegenseite sagte, über die Renditefrage müssen wir gar nicht erst diskutieren. Jetzt geht es zuerst mal um die Orts- und Quartierüblichkeit.» Der Gegenanwalt legte eine Liste des Hauseigentümerverbandes mit vergleichbaren Objekten vor, die alle weit über ihrem Mietzins lagen.

Das sagen politische Vertreter und Vertreterinnen

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Zürcher SP-Nationalrätin Jacqueline Badran: Sie forderte im Parlament vergebens eine regelmässige Überprüfung der Mietzinsrendite, zum Beispiel durch das Bundesamt für Wohnungswesen, und kritisiert, dass das System versage:

«Erstens einmal delegiert man die Durchsetzung von Bundesrecht ans Individuum. Das muss sich selbst wehren und dies innerhalb eines Monats. Und dann sagt man, du Mieterin und Mieter musst beweisen, dass der Vermieter eine übersetzte illegale Rendite macht. Der Vermieter hat zwar Mitwirkungspflichten, aber diese nimmt er in der Regel nicht wahr. Er kann sagen, er habe diese Dokumente nicht mehr oder jene gebe es nicht mehr. Damit können Mieterinnen und Mieter ihr Recht nicht wahrnehmen.»

Der Zürcher FDP-Nationalrat Beat Walti ist Präsident des Verbandes Immobilien Schweiz, der vor allem institutionelle Immobilienbesitzer vertritt. Er ist gegen eine staatliche Revisionspflicht der Mietzinsen. Er sagt:

«Wenn es Mängel gibt im Schlichtungsverfahren und die erforderlichen Dokumente effektiv nicht vorgelegt werden, dann muss man das korrigieren, dann muss man diese Mängel korrigieren, aber sicher nicht ein anderes Verfahren erfinden, das diese Probleme dann auch nicht löst.»

Ob die Quartier- und Ortsüblichkeit vor der Renditeberechnung wirklich Vorrang gehabt hätte (siehe «Das sagt das Mietrecht»), war vor der Schlichtungsbehörde wegen der fehlenden Unterlagen gar nie Thema. Schlussendlich war die Vermieterseite nur bereit, den Nettomietzins von 2190 auf 2000 Franken herabzusetzen.

Stefanie Pfändler und ihr Mann akzeptierten diesen Vorschlag, da sie wegen eines familiären Todesfalls keine Energie mehr hatten, den Fall weiterzuziehen. Das bereut sie heute und ärgert sie: Hätten sie die Renditeberechnungen gesehen, hätten sie informiert entscheiden können. «Die Vermieterpartei weiss ganz genau, wo sie steht. Sie schüchterte uns bewusst ein, und wir wussten schlicht nicht, woran wir sind.»

Kassensturz, 5.12.23, 21:05 Uhr

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