Michaela S. fand das Angebot auf e-commerce-welt.ch attraktiv: eine Markenuhr zu einem sehr günstigen Preis, lieferbar. Sie bezahlt die Uhr via Vorkasse. Doch dann kommt es zu Lieferverzögerungen, worauf Michaela S. die Bestellung storniert. Das Geld wird aber nicht zurückerstattet.
Michaela S. schreibt zwei kritische Kommentare auf der Bewertungsplattform Trustpilot, sie will andere vor dem Shop warnen. Dann plötzlich meldet sich die Firma und droht ihr: «Er sagte am Telefon, solange die schlechte Bewertung zu lesen sei, würden sie kein Geld zurückzahlen, sie würden sich nicht ans Bein pinkeln lassen, so sagte er es.»
Schlechte Bewertungen und viele Betreibungen
Ihre kritischen Kommentare sind nicht die einzigen: Auf der Bewertungsplattform Trustpilot finden sich viele solche. Doch die Firma hat nicht nur ein Problem mit Bewertungen, sondern auch mit Betreibungen: Viele Gläubiger fordern von der Firma Geld zurück. Recherchen von «Kassensturz» zeigen: Der Geschäftsführer der Firma, Avdiljvahid Zekirovski, wurde wegen Misswirtschaft im vergangenen Herbst verurteilt.
Auffallend: Er war oder ist an 36 Firmen beteiligt, doch die meisten seiner GmbHs sind Konkurs, wie ein Blick in das Handelsregister zeigt. «Diese hohe Anzahl an Konkursen weist darauf hin, dass hier ein Konkursreiter unterwegs ist», erklärt Raoul Egeli, Präsident des Gläubigerverbands Creditreform, zu dem auch ein Inkassobüro gehört.
Konkursreiter übernehmen gegen Bezahlung marode Firmen und führen diese dann in den Konkurs. Oft höhlen sie die Firmen vor dem Konkurs noch aus und bestellen Ware, ohne diese zu bezahlen. Konkursreiterei ist laut der Kantonspolizei Zürich ein häufiges Phänomen .
Und es könne strafbar sein, erklärt Tanja Fuchs, Leiterin der Ermittlungsabteilung Wirtschaftskriminalität der Kantonspolizei Zürich: «Inhaber einer Gesellschaft haben die Pflicht, nach bestem Wissen und Gewissen nachhaltig zu wirtschaften, das ist nach Gesetz eine Pflicht. Wenn man diese verletzt und der Konkurs eröffnet wird, macht man sich unter Umständen der Misswirtschaft strafbar.»
Ebenfalls verdächtig: Der Geschäftsführer der E-commerce-Welt CH GmbH änderte jeweils nach einer Firmenübernahme den Firmensitz und -namen.
Vor dem Bestellen immer Händler überprüfen
Ein typisches Vorgehen für Konkursreiter, erklärt Claudia Valérie Brunner, Dozentin für Wirtschaftskriminalistik an der Hochschule Luzern: «Konkursreiter verwischen damit die Spuren. Das machen sie, um es Konkursämtern, Gläubigern und Strafverfolgungsbehörden zu erschweren, sie in die Pflicht zu nehmen.»
Michaela S. hat im Gegensatz zu anderen E-Commerce-Welt Kunden ihr Geld nach hartnäckigem Insistieren doch noch zurückerhalten. Beim nächsten Mal wird sie zuerst eine kurze Recherche machen, bevor sie Waren online bestellt.
Das empfiehlt auch Jean-Claude Frick, Digitalexperte von Comparis: «Es macht Sinn, vor einer Bestellung Bewertungen des Shops zu lesen. Ist die Bezahlung nur per Vorkasse möglich, ist das sicher ein Warnhinweis. Auch ein Blick in das Impressum macht Sinn: Wenn da keine Namen von Personen zu finden sind, wäre ich sehr skeptisch.»