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Probleme mit Easyride Easyride – SBB in der Kritik

Die SBB-App läuft nicht reibungslos: ÖV-Reisende berichten von Ärger mit dem Ticketing und dem Kundendienst.

Vor der Reise mit einem Wisch ein- und danach mit einem Wisch auschecken. So funktioniert Easyride auf der SBB-Mobile App. Im Jahr verkauft die SBB auf diese Weise rund 20 Mio. Billette. Viele Kundinnen und Kunden schätzen das Angebot. Das Werbeversprechen: Der beste Preis werde berechnet. Nicht immer läuft alles rund: Die SBB leistet aufs Jahr gerechnet in knapp 100’000 Fällen eine Rückerstattung. Das sei weniger als ein halbes Prozent aller Easyride-Billette, so die SBB.

Gleiche Reise, zwei Preise

Ruedi Ehrsam und seine Frau fahren im Dezember mit dem Zug von Tirano (I) nach Winterthur. Beide kaufen ihr Billett über Easyride. Als sie nach der Reise zufällig ihre Easyride-Preise vergleichen, erschrecken sie.

Zwei Screenshots mit Preis für gelöstes Easyride-Ticket
Legende: Ruedi Ehrsams Frau zahlt deutlich weniger als er. SRF

Ruedi Ehrsam soll, im Gegensatz zu seiner Frau, für die genau gleiche Strecke 22.70 Franken mehr bezahlen: Auf ihrem Bildschirm steht 52.30, bei ihm 75 Franken. Er verlangt von der SBB eine Erklärung und erhält eine Standardantwort mit fünf möglichen Gründen.

SBB-Erklärung für Easyride-Preisunterschied

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Folgende Punkte können bei einer gemeinsamen Reise zu Preisunterschieden führen, wie aus dem Schreiben der SBB an Ruedi Ehrsam hervorgeht:

  • Unterschiedliche Einstellungen auf den verschiedenen Geräten.
  • Probleme und Unterschiede bei der Reiseerfassung aufgrund des Check-ins/Check-outs
  • Schlechte Ortungsdaten während bzw. nach der Reise und dadurch eine schlechte, abweichende Standortbestimmung.
  • Check-in / Check-out erfolgt nicht gleichzeitig. Je nach Zeitpunkt kann es bereits bei 1 Minute Unterschied zu Preisdifferenzen kommen
  • Einzelne Reisen am selben Tag werden nicht zusammen durchgeführt. Bei mehreren Reisen am Tag optimiert Easyride die Preisberechnung Ihres «Tagespreises» auf Basis der gefahrenen Strecken und der genutzten Umstiegspunkte mit einem Algorithmus. Es kann also sein, dass für eine Teilstrecke ein unterschiedlicher Preis angezeigt wird, weil diese bereits mit einer vorherigen Fahrt verrechnet wurde. Massgebend ist der Betrag, der am Ende des Tages angezeigt wird.

Die SBB fordert Ruedi Ehrsam auf, seine gefahrene Strecke für die Korrektur mitzuteilen. Er liefert die Informationen und beschwert sich erneut. Die SBB erstattet ihm schliesslich die Differenz. Ohne Entschuldigung und mit einer Erklärung, die ihn nicht befriedigt. Laut SBB: ein technisches Problem.

So funktioniert Easyride

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  • Nach dem Einchecken stellt Easyride ein QR-Code als Fahrberechtigung aus.
  • Gleichzeitig beginnt die App im Hintergrund verschiedenste Daten zu sammeln: GPS-Standortdaten, Bluetooth- und Wlan-Signale, sowie Bewegungssensordaten. Laufend sendet das Smartphone die Daten auf einen Server.
  • Nach dem Auschecken von Easyride sucht dieser Server im Fahrplan die passende Reiseverbindung, inklusive Umsteigevorgängen, und speichert sie in einer Liste.
  • Nach Betriebsschluss am nächsten Morgen empfängt ein zweiter Server die Reiselisten und berechnet dafür den Tagespreis.
  • Die SBB stellt schliesslich den Preis ihren Kundinnen und Kunden in Rechnung und versendet eine Quittung.

Erst als «Kassensturz» nachfragt, entschuldigt sich die SBB bei den Ehrsams und erklärt, die Ortungsdaten der Smartphones seien unterschiedlich gewesen. Die SBB wisse jedoch nicht, worauf dies zurückzuführen sei.

Wie häufig kommen solche Easyride-Fehler vor?

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Die SBB Medienstelle schreibt dem Kassensturz zum Fall Ehrsam: «Nach unseren bisherigen Abklärungen sind uns keine vergleichbaren Fälle bekannt, wonach für die gleiche Reise zur gleichen Zeit eine derart grosse Preisdifferenz zu Ungunsten eines Reisenden resultierte.»

Andere Reise, anderes Easyride-Problem

Ein anderes Problem mit Easyride hatte Nanina Blank. Sie reist im Januar von Rapperswil nach Zürich. Sie checkt ein und steigt in den Zug. Bei der Billettkontrolle folgt die Überraschung.

«Der Kontrolleur meinte dann: Ja es sei schon eingecheckt, aber es gäbe keinen QR-Code.›» Kein QR-Code, keine Fahrberechtigung: Der Kontrolleur büsst Nanina Blank mit 100 Franken für das Reisen ohne gültigen Fahrausweis. Zur Problemklärung solle sie sich telefonisch bei der Einnahmenstelle der SBB melden.

An zwei Tagen versuchte sie, diese zu erreichen. Vergeblich. Niemand ging ans Telefon. Einmal wartete sie fast eine Stunde lang. Aber sie erhält ein Schreiben: Sie soll die Busse bezahlen.

Wieder ruft sie an und kommt diesmal durch. Das Gespräch ist für Nanina Blank ernüchternd: Die SBB sehe keine allgemeine App-Störung.

Nanina Blank legt der SBB die aufgezeichnete Reise auf ihrem Handy als Beweis für das Einchecken vor. Trotzdem beharrt die SBB auf der Busse. Sie reduzieren die Rechnung aus Kulanz von 100 auf 40 Franken.

Für sie völlig unverständlich, dass die SBB ihre Beweise ignoriere: «Ihre einzige Haltung war: ‹Wir hatten keine Störung auf der App, also ist alles ihr Fehler.›» Ihr bleibt nichts übrig: Sie zahlt die Rechnung und wird Easyride in Zukunft wohl nicht mehr brauchen.

Ihre einzige Haltung war: ‹Wir hatten keine Störung auf der App, also ist alles ihr Fehler.›
Autor: Nanina Blank

Nach der Anfrage von «Kassensturz»: SBB storniert Busse

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Nach erneuter Prüfung der Sachlage und der Schilderungen der Kundin geht die SBB davon aus, dass sich aufgrund einer technischen Störung kein QR-Code anzeigen liess. Sie erlassen Nanina Blank die 40 Franken.

«Kassensturz» liegen weitere Fälle vor, bei denen Easyride technische Probleme verursacht oder einen teureren Tarif verrechnet hat. Bastian Bommer kennt die Fälle. Er ist von Pro Bahn – der Interessensvertretung der ÖV-Reisenden.

Laut ihm muss die SBB kundenfreundlicher werden. Die Verantwortung könne nicht bei der Kundschaft liegen, jede Finesse zu kennen, damit das System überhaupt erst fehlerfrei funktioniere. Ebenso müsse das Werbeversprechen gehalten werden.

Easyride: Eine Hilfe beim Reisen, die aber auch für Ärger sorgt.

Auszüge aus dem Interview mit der SBB

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«Wir wissen, dass unsere Kunden sehr genau auf die Abrechnungen schauen und uns entsprechend zurückmelden, wenn etwas nicht ganz korrekt gelaufen ist. In der Regel melden sich unsere Kunden sehr schnell und sie schauen schon sehr exakt darauf, ob da alles richtig berechnet worden ist oder nicht. »

«Easyride ist sehr sehr neu. Wir sind Ende 2019 gestartet mit dem Ganzen. Es ist sehr eine technische und innovative Lösung. Und die Rückmeldungen, die wir erhalten, sind natürlich nicht gerade sehr schön. Also jede Rückmeldung ist eine zu viel, das wissen wir. Aber wir sind froh, wenn sich Kunden melden, wenn sie sehen, dass etwas nicht funktioniert – wie ich schon gesagt habe: Sie sind sehr darauf bedacht zu verstehen, wie das Ganze funktioniert – und das hilft uns nachher am Ende auch das ganze System besser zu machen.»

Das gesamte Interview mit der SBB im Video unten.

Kassensturz, 16.05.23, 21:05 Uhr

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