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Textilrecycling Lösung für das Fast-Fashion-Problem?

Die Textilbranche will nachhaltiger werden. Doch schnelllebige, qualitativ minderwertige Mode überflutet momentan den Weltmarkt und macht Recycling finanziell unattraktiv. Jetzt zieht die EU die Zügel an und fordert echte Kreislaufwirtschaft. Mit Folgen für die Schweiz.

Die Schweiz ist zusammen mit Luxemburg fragwürdige Weltmeisterin beim Kleider-Shopping. Etwa 20kg Textilien kaufen Herr und Frau Schweizer pro Jahr. Unglaublich: Die Hälfte davon landet ungetragen im Altkleidersack. Und damit ist das Problem noch längst nicht gelöst.

Mülldeponie statt Kreislaufwirtschaft

Ortswechsel: In Ghanas Hauptstadt Accra stapeln sich 160 Tonnen Kleider aus westeuropäischen Kleidersäcken, Tag für Tag! Doch die meisten Kleidungsstücke finden keinen Abnehmer, weshalb sie auf Mülldeponien landen, wo sie verrotten oder verbrannt werden. Die Qualität der Textilien ist dabei oft minderwertig: 65% davon bestehen aus Polyester, das ist schwierig fürs Recycling.

Textilrecycling ist sinnvoll, aber komplex

Mit Recycling könnten die Kleider länger im Umlauf gehalten werden. Wie komplex der Vorgang jedoch ist, haben Forscherinnen der Hochschule Luzern im Projekt «TEXCYCLE» untersucht. Das Problem: Altkleider müssen mühsam von Hand vorbereitet und sortiert werden. Das Entfernen von Etiketten, Knöpfen und anderen Fremdmaterialien ist eine manuelle Aufgabe, für die es keine industrialisierten Prozesse gibt.

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Faser ist nicht gleich Faser

Neue Recycling-Garne für die Produktion zu gewinnen, ist nicht einfach, weiss Françoise Adler, Textilforscherin an der HSLU: «Das ist eine sehr normierte, textile Kette mit sehr vielen Standards. Das heisst, man kann nicht einfach irgendein Garn machen und dann einfach wieder in die textile Kette einspeisen.» Beim mechanischen Recyclen werden Kleidungsstücke geschreddert und auseinandergerupft, wobei jede Faser unterschiedlich reagiert.

Die EU macht Druck auf die Textilbranche

In Zukunft will die EU dafür sorgen, dass Textilien nach qualitativ höheren Standards hergestellt werden und die Umwelt weniger belasten. Darum hat sie eine «Strategie für nachhaltige und kreislauffähige Textilien» erstellt, die bis 2030 umgesetzt werden soll. Die EU fordert eine Kreislaufwirtschaft für alle Textilien im EU-Raum.

Laut EU sollen verbindlich bis 2030 ...

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... alle Textilerzeugnisse auf dem EU-Markt langlebig sein ...

... sich «reparieren und recyceln» lassen...

...«sozial- und umweltverträglich» hergestellt sein...

... «ausreichend Kapazitäten für Recycling» geschaffen werden sowie «überschüssige Kleidung so selten wie möglich verbrannt oder weggeworfen» werden.

Was sich vielversprechend anhört, ist laut Nina Bachmann, Nachhaltigkeitsexpertin Branchenverband «Swiss Textiles», ein schwieriges Unterfangen: «Die Idee ist natürlich gut, dass man top down sagt, wir wollen mehr Kreislaufwirtschaft. Aber die nötigen Kontrollen kosten die EU sehr viel Geld.»

Ein Umdenken ist gefragt

Klar ist: Die Strategie der EU hat auch Konsequenzen für die Schweizer Textilhersteller. 80% der Schweizer Produkte gehen in den europäischen Markt. Beim Recycling müssen neue Rücknahme-Ströme etabliert werden.

An der Hochschule Luzern haben die Textil-Forscherinnen bereits Verfahren entwickelt, um bessere Garne aus herkömmlichen Recycling-Fasern zu produzieren. Ein Schweizer Hersteller machte daraus eine kleine Serie Socken. Aber das ist nur der Anfang. Aktuell wird weniger als 1 % rezykliert.

Kassensturz, 21.11.23, 21:05

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