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Ungleiche Behandlung Auf eine Fehlgeburt folgt die Rechnung

Schwangere sind von der Kostenbeteiligung befreit – wenn alles gut läuft. Nicht so bei frühen Fehlgeburten.

Anfangs achte Schwangerschaftswoche erfährt Carla Fässler von ihrem Gynäkologen, dass der Embryo bereits nicht mehr lebt. «Das war ein Schock für uns beide. Ich war sehr froh, war mein Mann dabei und unterstützte mich.»

Hohe Rechnung folgt

Trotz Wehen und Blutungen war die Ausstossung mit Tabletten erfolglos. Carla Fässler musste rasch ins Spital und eine Curettage (Ausschabung) vornehmen lassen.

Wenige Wochen später folgte der zweite Schock: Eine Rechnung über 1400 Franken. Wegen einer hohen Franchise und dem Selbstbehalt muss Carla Fässler alles selbst bezahlen: «Es ging mir sonst schon nicht gut. Überall sah ich Frauen mit Kinderwagen und dann kommt noch diese Rechnung.»

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Keine Kostenbefreiung bei Komplikationen

Bei Schwangerschaft sieht das Krankenversicherungsgesetz besondere Leistungen vor, für die Versicherer keine Franchise oder Kostenbeteiligung verlangen dürfen. Dazu gehören zum Beispiel Kontrolluntersuchungen, Geburt und Stillberatungen.

Doch schwanger ist im Gesetz nicht gleich schwanger. Während Frauen ab der 13. Schwangerschaftswoche von allen Kosten befreit sind, wird bis zur 13. Woche die Kostenbeteiligung nur erlassen, wenn alles gut läuft. Wer vor der 13. Schwangerschaftswoche eine Fehlgeburt oder Komplikationen erleidet, muss wegen Franchise und Selbstbehalt Rechnungen bis zu 3200 Franken pro Jahr selbst bezahlen.

Ungleichbehandlung von Schwangeren

Das kritisiert Irene Kälin, Nationalrätin der Grünen, und reichte deshalb vor vier Jahren eine Motion im Nationalrat ein. «Faktisch ist das Gesetz eine riesige Diskriminierung für alle, die ihr Kind im ersten Schwangerschaftsdrittel verlieren. Der Gesetzgeber geht heute davon aus, dass die Schwangerschaft bis zur 13. Schwangerschaftswoche eine Krankheit ist.» Irene Kälin fordert deshalb, dass medizinische Leistungen der Schwangerschaft vom ersten Tag an von allen Kosten befreit werden.

Das sagen die Krankenkassenverbände:

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Santésuisse:
«Komplikationen vor der 13. Schwangerschaftswoche (SSW) werden im Rahmen der üblichen Leistungen von der Krankenversicherung übernommen – sie sind allerdings nicht von Selbstbehalt und Franchise befreit. Tatsächlich wird wohl insbesondere die fehlende Befreiung von Franchise und Selbstbehalt im Falle des Verlusts eines Kindes vor der 13. SSW als unfair empfunden. Dafür haben wir Verständnis. Deshalb wäre prüfenswert, diese spezifischen Fälle von Selbstbehalt und Franchise auszunehmen. Eine generelle Ausweitung der bisherigen, gut ausgebauten Lösung lehnen wir allerdings auch aufgrund der aktuellen Kostenentwicklung ab.»

Curafutura:
«Es handelt sich einmal mehr um eine Mehrbelastung für die Prämienzahlerin und den Prämienzahler, was wir als keine gute Entwicklung betrachten. Wir gewichten allerdings die Gleichstellung der Behandlung als höher (vor der 13. SSW im Vergleich zu danach) trotz der Mehrbelastung. Entsprechend sprechen wir uns für die Kostenbefreiung aus.»

17 Millionen Mehrkosten

Im Nationalrat wird diese Woche eine entsprechende Gesetzesänderung behandelt. Mit 17 Millionen Franken Mehrkosten rechnet der Bund für die Ausweitung der Kostenbefreiung auf alle Schwangeren im ersten Drittel.

Bekämpft wird deshalb die Vorlage von SVP-Nationalrätin Therese Schläpfer: «Jedes Detail, mit dem man den Leistungskatalog erweitert, treibt die Kosten in die Höhe und folglich auch die Krankenkassenprämien.»

Bundesamt für Gesundheit

Die Fehlgeburt kommt Carla Fässler teuer zu stehen: Zusammen mit den späteren zusätzlichen Untersuchungen muss sie rund 2000 Franken selbst bezahlen: «Allen, die schlussendlich ein gesundes Kind haben, werden die ersten drei Monate bezahlt. Ich, die eine Fehlgeburt hatte, muss selbst dafür aufkommen.»

Kassensturz, 26.09.23, 21:05 Uhr

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