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25 Jahre Ueli Schmezer
Aus Kassensturz vom 21.12.2021.
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Würdigung von Ueli Schmezer Die Verkörperung des «Kassensturz»

Nach 25 Jahren «Kassensturz» und insgesamt 38 Jahren beim Schweizer Radio und Fernsehen hat sich der 60-jährige Ueli Schmezer entschieden, Ende Januar 2022 SRF zu verlassen. Durch seine letzte Sendung wird er am 21. Dezember 2021 führen. Eine Würdigung von Tristan Brenn, Chefredaktor CR Video.

Lieber Ueli

Es gibt Ereignisse im Leben, Nachrichten, ob gute oder schlechte, da weiss man später noch ganz genau, wo man war, was man gerade tat, als man davon erfahren hat. Ich hatte so einen Moment auf einem kleinen Balkon eines Hotels in Milano. Es war letzten Sommer. Es war Samstag, 7. August gegen 13 Uhr. Mein Handy läutete und ich erfuhr von dir, dass du SRF verlässt. Wumms, das sass! Der «Kassensturz» ohne Ueli Schmezer? Das war ein kleiner Schock, das bekam ich nicht gleich zusammen. 

Warum war das so? Natürlich, wer so lang das Aushängeschild einer Sendung mit wöchentlich starken journalistischen und emotionalen Momenten war, der prägt sich ein. Als die Glückspost dich als frisch gebackenen «Kassensturz»-Moderator im Leutschenbach interviewte, wurdet ihr dauernd unterbrochen, weil «Schmezer mehrmals über seinen Piepser gesucht wurde». Seinen «Piepser»? Ja, das war damals, 1996, unsere Suchmaschine in den weit verzweigten Gängen zwischen Büros und Studios. 25 Jahre ist das her, so lang hast du den «Kassensturz» moderiert.

Du hast diese Sendung aber auch verkörpert wie kaum jemand sonst eine Sendung verkörpert. Der «Kassensturz», das ist Nahkampf. Das Signet der Sendung zeigt einen resoluten Mann, der die Ärmel hochkrempelt, die Fäuste ballt und losstürmt. Das Gesicht ist angeschnitten, man erkennt es nicht genau. Du selbst könntest es sein, auch die Körperstatur stimmt. Offiziell ist dazu bis heute nichts bekannt. Die Haltung allerdings, das ist zweifellos Ueli pur. Nirgendwo kam sie besser zum Ausdruck als in deinen Studiogesprächen. Einige eskalierten – und wurden darum Kult. Etwa das nicht enden wollende Hin und Her mit einem schmierigen österreichischen Teleshopping-Anbieter, der die halbe Schweiz mit unbestellten Kaffeemaschinen zumüllte. Am Ende des Interviews übergabst du dem Mann persönlich seine Kaffeemaschine und die falsch gelieferte Unterwäsche. 

Nie jedoch ging es dir nur um Spektakel. Was jeder Interviewgast spätestens nach dem Interview merkte: Du bist auch der fairste Interviewer, den es gibt. Vorgespräche waren für dich da, um die Vorwürfe auf den Tisch zu legen. Nie hast du jemanden getäuscht oder mit Tricks aufs Glatteis zu führen versucht. Unerbittlich warst du jedoch, wenn ein Gast deinen Fragen ausgewichen ist. Was Kritiker:innen als rechthaberisch erschien, war letztlich ein konstruktiver Ansatz. Dein tiefer Glaube an die Kraft des besseren Argumentes. Das führte auch dazu, dass die abgemachte Zeit für ein Interview für dich nur ein Richtwert war. Kein Wunder, dass «10vor10» am Dienstagabend häufig etwas nach 21.50 Uhr begann.

Dass du den «Kassensturz» verkörpertest, konnten deine Kolleginnen und Kollegen auch neben der Sendung beobachten. Sie erzählen, wie du unterwegs in Gespräche verwickelt wurdest von Menschen mit einem Anliegen. Nicht selten kamst du ins Büro mit irgendwelchen Hinweisen oder Akten, die Leute dir direkt «auf der Strasse» gegeben hatten. Neumodisches Acting Reporting? Du hast das schon Mitte der 1990er-Jahre gemacht. Die Rubrik hiess «Der Fall». Du griffst einen Zuschauerärger auf und kümmertest dich persönlich bei der Firma oder dem Amt um – ja, es ist das richtige Wort – Gerechtigkeit.  

Auch deshalb warst du für die Mitarbeitenden des «Kassensturz» weitaus mehr als einfach das Gesicht der Sendung. Du konntest wie kein anderer deinem Team vermitteln, dass es eben wichtig war, was es hier macht. Mit anwaltschaftlichem Journalismus Missstände aufdecken, den Mächtigen, Etablierten auf die Finger schauen, den kleinen Leuten eine Stimme geben. Auch wir beide hatten einige Diskussionen. Zum Beispiel wenn es ums Sparen ging, um den Medienwandel, um die Transformation unseres Unternehmens. Du hast immer darum gekämpft, dass wir nicht dort sparen, wo es um die Substanz und die «Raison d’Être» eines öffentlichen Medienhauses geht: Nämlich guten und relevanten Inhalt herzustellen, der Wirkung zeigt, der etwas auslöst, der Haltung spürbar macht. Das habe ich enorm geschätzt an dir. Auch, dass du immer betont hast, dass es letztlich auf das Teamwork ankommt und dass du deshalb bei deiner Rücktrittsankündigung die Verdienste deiner Kolleginnen und Kollegen herausgehoben hast. Als Roger Schawinski, der Gründer des «Kassensturz», nach der Absetzung seiner Talkshow «Schawinski» meinte, nun sei der letzte unabhängige Journalist von SRF gegangen, hast du das nicht stehengelassen und öffentlich klargestellt: «Du hast offenbar von SRF keine Ahnung und wenig Respekt vor den Kolleg:innen.» Das war stark – und das war bezeichnend für dich.

Am 21. Dezember, kurz vor Weihnachten, wirst du, Ueli, deine letzte «Kassensturz»-Sendung moderieren. Ich danke dir für alles, was du diesem Sender gegeben hast, und wünsche dir alles Gute.

Tristan

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