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Konsum Aldi und Lidl lehren die Grossen das Fürchten

Nach Aldi kommt Lidl. Trotzdem werden Konsumenten in der Schweiz immer noch geschröpft. Auch Migros und Coop profitieren von der Hochpreishölle. Sie kassieren wesentlich höhere Margen als Detailhändler im Ausland. «Kassensturz» sagt, warum Aldi und Lidl für die Schweiz ein Segen sind.

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Medienrummel am Montag in Winterthur: Lidl zeigt erstmals seine Läden. In den Regalen bekannte Marken und noch unbekannte Eigenmarken – wo immer möglich gibt sich der deutsche Discounter gut schweizerisch.

Verlockendes Preisniveau

Der Schweizer Markt sei anders, sagt Detailhandelsexperte Matthias Queck. Doch ein Zufall ist es nicht, dass Lidl ausgerechnet hier Fuss fassen will. «Die Höhe der Margen ist natürlich etwas, wovon sie in Deutschland nur träumen können», sagt Queck. Das habe damit zu tun, so Queck weiter, dass Migros und Coop für andere Werte in der Schweiz stehen würden. «Sie achten nicht nur auf den Preis.» Das mache es umgekehrt attraktiv für Markteinsteiger wie Lidl. Denn auch in der Schweiz gebe es eine Bevölkerungsschicht, die interessiert sei an tiefen Preisen, führt Queck aus.

Für Discounter ist das hohe Preisniveau verlockend. Beispiel Markenartikel: Die Universität St. Gallen hat letztes Jahr 70 identische Produkte bei Lidl Deutschland und in der Schweiz bei Coop und Manor eingekauft. Das Resultat: Der Warenkorb kostete bei Lidl Deutschland umgerechnet 313 Franken. Zum Vergleich: Schweizer Konsumenten zahlten 401 Franken, das sind 28 Prozent mehr.

Mittlerweile haben Coop und Manor die Preise mehrerer Produkte gesenkt. Doch auch in Deutschland haben sich die Preise bewegt – und der Eurokurs ist gesunken. Das macht den Einkauf in Deutschland noch billiger. Die Gründe für den Preisunterschied: Höhere Einkaufskosten, Schweizer Zölle – und Schweizer Grossverteiler rechnen mit höheren Margen als Discounter, so die Verfasser.

Marge: Geschäftsgeheimnis

Nun bekommen Schweizer Detailhändler den Druck der Discounter zu spüren. Professor Thomas Rudolph hat die Folgen untersucht. Sein Forschungszentrum für Handelsmanagement in St. Gallen hat den Preisvergleich gemacht. Unbestritten für den Experten: Aldi und Lidl rütteln die Branche auf. Thomas Rudolph: «Der Detailhandel muss sich anstrengen. Alle Spieler in diesem Schweizer Markt sind gefordert, noch besser zu spielen, effizienter zu werden und natürlich die Kundenwünsche noch besser zu berücksichtigen.»

Effizienz ist gefragt. Doch wo ist noch Luft drin? Die Hersteller liefern ihre Ware den Detailhändlern zum Einstandspreis. Die Detailhändler stellen die Produkte in die Regale und setzen den Preis fest. Der Kunde zahlt. Die Differenz zum Einstandspreis ist die Marge der Detailhändler. Wer wo wie viel abschöpft, darüber spricht niemand – Geschäftsgeheimnis.

Die Hersteller von Markenprodukten gelten als Hauptverantwortliche für die hohen Preise in der Schweiz. Der Vorwurf: Sie profitieren von Schweizer Konsumenten, weil sie den Detailhändler die Produkte teurer verkaufen. Nun legt Anastasia Li, Direktorin des Markenverbands Promarca, «Kassensturz» bisher unveröffentlichte Zahlen vor. Sie basieren auf Angaben ihrer Mitglieder. Der Verband hat 100 Produkte miteinbezogen. Einstands- und Verkaufspreise in der Schweiz wurden verglichen mit denen in Deutschland, Italien und Frankreich. Alle Ladentypen sind berücksichtigt.

Viel grösseres Sortiment

Nicht erstaunlich: Die Produkte sind in der EU günstiger. Schweizer Konsumenten zahlen im Schnitt 30 Prozent mehr. Doch die Frage ist, wer verursacht die hohen Preisen? Die Studie zeigt: die Hersteller verlangen in der Schweiz tatsächlich höhere Einstandspreise: 20 Prozent mehr als im Ausland. Staatliche Vorschriften, der kleine Markt und hohe Verteilkosten seien Schuld, sagt Promarca.

Doch noch mehr schlagen Schweizer Detailhändler drauf. Um ganze 50 Prozent ist ihre Bruttomarge im Schnitt höher als die der Detailhändler im Ausland. Anastasia Li: «Es ist klar, bei den Detailhändlern liegt das grösste Einsparpotential.» Die Promarca-Direktorin räumt allerdings ein, dass Detailhändler mit höheren Infrastruktur- und Personalkosten arbeiten würden – wie die Hersteller auch.

Coop und Migros betonen, sie würden sehr effizient arbeiten. Ausserdem: Die Margen würden sie nicht als Gewinn einstreichen, sondern für Mitarbeiter und Verkaufsnetz einsetzen. Coop-Sprecherin Susanne Erdös: «Wir haben ein viel grösseres Sortiment. Wir haben Läden von Basel bis Bosco Gurin in der hinteren Ecke des Tessins.» Auch im kleinsten Laden seien 8000 Artikel vorhanden, das koste. «Die Kunden wollen schöne Läden, wollen ein grosses Sortiment.» Und die Kunden seien zufrieden, wie die Umsatzzahlen zeigen würden, sagt Erdös.

Kosten sind unnötig hoch

Diese hohen Kosten für das Verkaufsnetz seien gerade das Problem, sagt Wirtschaftsprofessor Reiner Eichenberger. Er hat die Preisentwicklung der letzten 5 Jahre analysiert. Fazit: Der Graben zu Deutschland ist kleiner geworden. Doch der Wettbewerb ist immer noch schwach.

Das führt zu hohen Preisen. Und diese verleiten die Grossverteiler zu unnötig hohen Kosten. Eichenberger: «Sie machen riesige Marketinganstrengungen, riesige Werbefeldzüge, mit übertrieben teuer ausgestatteten Läden und einem zu dichten Filialnetz.» Im Nachhinein werde die hohe Marge mit den hohen Kosten gerechtfertigt. «Aber es läuft genau umgekehrt», sagt Eichenberger. Hohe Preise würden zu hohen Kosten verleiten, das werde völlig verkannt.

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