Merkblatt
Sie sind drei Zentimeter lang, haben alle Farben und freundliche bis finstere Gesichter. Kinder sollen die «Nanos» runterpurzeln lassen oder aufeinander stapeln. Mit ihrer «Nanomania» betreibt Migros einmal mehr Eigenwerbung übers Kinderzimmer und behauptet dabei, die Plastikfigürchen aus China seien keine Wegwerfartikel, sondern langlebige, robuste Spielzeuge.
Kinder unter Gruppenzwang
«Echt fies von der Migros», schreibt ein Kassensturz-Zuschauer in seiner Reaktion auf die Sammelaktion. «Da werden Kinder und Jugendliche wieder dem Gruppenzwang unterworfen.» Eine andere Zuschauerin ärgert sich über den produzierten Abfall: «Ich finde, das ist eine Umweltverschmutzung erster Güte.»
Metall für den Müll
Tatsächlich: Wer ein Nano in den Eimer schmeisst, wirft sieben Gramm Eisen in den Müll. Für die Migros, die sich gerne als nachhaltiger Detailhändler preist, ist das kein Problem: «Wir haben hochmoderne Kehrichtentsorgungsanlagen. Die können die magnetischen Nano-Kügelchen aus der Schlacke wieder herausfiltrieren.» Doch das auf diese Weise aufwändig rezyklierte Metall ist nicht mehr von erster Qualität.
Verschwendung von Ressourcen
Migros sagt zwar nicht, wie viele Nanos sie unter die Kinder bringen. Doch der Detailhändler gibt allein eine Million Sammelsäcklein für die insgesamt 48 Nanos ab. Hochgerechnet sind das Hunderte Tonnen Eisen. Eisenkugeln, die gewonnen wurden, um früher oder später von gelangweilten Kindern vergessen und schliesslich entsorgt zu werden.
Spielzeug in Pillenform
Aber nicht nur die Umwelt wird sinnlos belastet. Das Sammelspielzeug kann für Kinder verhängnisvoll werden: Als Alexander Möller, Lungenspezialist des Zürcher Kindespitals, letzte Woche in der Hand eines kleinen Patienten den ersten «Nano» sah, dachte er: «Achtung, nicht ganz ungefährlich.» Der Grund: Die Nanos sind pillenförmig. «Sie laden Kinder dazu ein, sie in den Mund zu nehmen. Aufgrund der Form lassen sich die Kapseln runterschlucken. Doch sie sind zu gross und können steckenbleiben. Daran kann ein Kind ersticken.»
Dem hält Migros-Pressesprecherin Monika Weibel entgegen, dass die Plastikkapseln bereits in anderen Ländern als Spielzeug zum Einsatz kamen. «Uns sind bis heute keine Fälle von Verschlucken bekannt. Ein Restrisiko kann jedoch nie ganz ausgeschlossen werden.»
Erstickungsgefahr für kleine Kinder
«Als echtes Problem» erachtet Kinderarzt Möller die Metallkugel im Innern der Kapsel. «Sie ist so klein, dass sie beim versehentlichen Verschlucken in den Atemwegen von Kleinkindern steckenbleiben könnte.»
Migros nennt keine Zahlen
Die Migros schweigt sich darüber aus, wieviel Geld sie in die breit angelegte Werbeaktion mit Roadshows, eigener Internet-Plattform und Applikation fürs I-Phone steckt. Für eine Mutter ist indessen klar: «Dieses Geld würde die Migros besser in die Verbilligung von Produkten stecken.»