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Konsum Coiffeur: Verätzte Kopfhaut nach dem Blondieren

Nach dem Blondieren im Coiffeursalon muss eine Kundin mit schweren Hautverletzungen notfallmässig ins Spital. Der Coiffeur weist jede Schuld an der Verätzung von sich. Nach mehreren Operationen kämpft die junge Frau um ihr Recht.

Die 27-jährige Joëlle Schmidt erholt sich im Kantonspital Aarau von einer Operation am Kopf. Es war der vierte schwere Eingriff in den letzten anderthalb Jahren. Ihre Leidensgeschichte beginnt beim Coiffeur.

Rauchwolke aufgestiegen

Im Salon hat die Lehrtochter zum Blondieren eine neue Mischung angerichtet. Joëlle Schmidt kriegt bei der Anwendung unerträgliche Schmerzen auf dem Kopf: «Nach kurzer Zeit fing es an zu brennen. Ich habe eine Coiffeuse gerufen, nimm es sofort raus! Beim Wegnehmen der Alufolie ist eine Rauchwolke aufgestiegen.»

Der Vorfall liegt viele Monate zurück. Joëlle Schmidt erinnert sich aber noch genau an den Wortwechsel zwischen Angestellter und Lehrtochter: «Die Angestellte zu meiner Rechten hat noch gesagt, weisst Du überhaupt wie's geht? Ich dachte nichts dabei. Ich hätte doch nie angenommen, dass so etwas passieren könnte.»

Mutter erstattet Anzeige

Wenige Stunden später sucht Joëlle Schmidt einen Hautarzt auf. Er stellt eine nässende Wunde fest, die immer grösser wird. Einzelne Hautpartien werden schwarz und sterben ab. Nach drei Wochen schickt der Dermatologe Joëlle Schmidt notfallmässig ins Spital. Im Kantonsspital Aarau müssen die Ärzte abgestorbene Hautteile entfernen. Die Mutter von Joëlle Schmidt erstattet bei der Polizei Anzeige wegen Körperverletzung.

Peter Itin, Chefarzt der Dermatologie am Universitätsspital Basel, kennt solch schwere Fälle nur aus der Fachliteratur. Ihm fällt auf: Joëlle Schmidt verspürte bereits beim Coiffeur starke Schmerzen. Für den Dermatologen besteht kein Zweifel: «Es ist nicht möglich, dass bei sachgemässer Anwendung von Bleichungsmittel derartige Verletzungen entstanden sind. Da muss ein Konzentrationsproblem dieses Bleichmittels bestanden haben.»

«Fehler ausgeschlossen»

Probleme mit dem Bleichmittel schliesst Coiffeur Jeunesse aus. Im aargauischen Bremgarten lässt sich Joelle Schmidt seit Jahren ihre Haare färben. Der Geschäftsführer gibt Kassensturz nur schriftlich Antwort. Er widerspricht den Aussagen seiner Kundin: «Ein Fehler unseres Personals kann ausgeschlossen werden. Die Kopfhautschädigung ist für uns unerklärlich.»

Beim Haarebleichen kommt Wasserstoffperoxid zum Einsatz. Die Präparate gibt es in verschiedenen Stärken. Fachleute wissen: Eine zu hohe Konzentration des Bleichmittels kann zu Verätzungen führen. Einen solchen Fehler schliesst Coiffeur Jeunesse aus: «Wir führen jährlich zirka 1500 Farb- und Mècheapplikationen durch. Wir haben nie einen solchen oder ähnlichen Fall erlebt.»

Verletzungen unerklärlich

Bei Joëlle Schmidt habe man handelsübliche Produkte verwendet und nach Gebrauchsanweisung zusammengemischt, sagt Coiffeur Jeunesse. Er könne sich die schweren Hautverletzungen nicht erklären. Auch ein rechtsmedizinisches Gutachten schafft keine Klarheit. Coiffeur Jeunesse können keine Fehler nachgewiesen werden. Für Joëlle Schmidt ein Schlag ins Gesicht: «Ich sass im Salon mit Schmerzen bis in die Fingerspitzen. Ich hielt es fast nicht aus.»

Niemand kann erklären, wie es zu solch schweren Kopfhautverletzungen gekommen ist. Aber: Zivilrechtlich muss der Coiffeur beweisen, dass ihm kein Fehler passiert ist. Sonst haftet er für den Schaden. Doch der Coiffeur war zum Zeitpunkt des Vorfalls wegen ausstehenden Prämienzahlungen gar nicht haftpflichtversichert. Ein Versehen, schreibt der Coiffeur.

Weitere Operationen nötig

Die Operationen kosten mehrere zehntausend Franken. Bezahlt hat bisher die Unfallversicherung von Joëlle Schmidts Arbeitgeber. Was ihr bleibt, ist der immaterielle Schaden: «Für mich ist es eine Entstellung – ich habe keine Haare mehr auf dem Kopf.» Auch die Schmerzen und Operationen könne man nicht einfach so auf sich sitzen lassen. «Das gibt eine Wut in einem», stellt Schmidt fest.

Bis auf ihrem Kopf wieder Haare wachsen, dauert es noch Monate, weitere Operationen folgen.

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