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Konsum Der Bschiss mit der «Swissness» geht weiter

Bündnerfleisch aus Argentinien, Schweizer Honig von mexikanischen Bienen, Schweizer Guetzli nur aus Importweizen: Ein neues Gesetz will die Marke «Schweiz» besser schützen. «Kassensturz» zeigt: Die Nahrungsmittel-Industrie will mit Schlupflöchern im Gesetz strenge Regeln verhindern.

Die Kernfrage bei den Lebensmitteln: Wie viel Schweiz muss drin sein, damit Schweiz draufstehen darf?

Das Ziel ist unbestritten: Schweizer Produkte sollen mit «Swissness» werben dürfen, mit Schweizerwappen und «Schweiz» als Herkunftsbezeichnungen. Aber eben: Nur Schweizer Produkte. Dafür soll das Markenschutzgesetzes und des Wappenschutzgesetzes revidiert werden. Ab nächster Woche wird im Parlament darüber gestritten. 

Mindestens 80 Prozent aus der Schweiz

Der Vorschlag des Bundesrats zur so genannten «Swissness»-Vorlage ist, dass 80 Prozent der Rohstoffe in einem Produkt aus der Schweiz kommen müssen.Die Nahrungsmittel-Industrie sträubt sich gegen strenge Regelungen, wie sie der Bundesrat vorsieht. Zum Nachteil der Konsumenten.

Doch die Nahrungsmittelindustrie will  in ihren Produkten den Anteil an Schweizer Rohstoffenmöglichst tief halten. Sie drängt auf Ausnahmen und Unterscheidungen.

Schlupfloch 1: Nur 60% Schweizer Rohstoffe

Es soll zwischen schwach und stark verarbeiteten Produkten unterscheiden.  Bei stark verarbeiteten müssten nur noch 60% Schweizer Rohstoffe drin sein. Das schlägt die zuständige Kommission des Nationalrats vor.

Die Aufteilung führt zu absurden Unterscheidungen: Fruchtjoghurt gilt als schwach verarbeitet,  ein Müesli-Joghurt dagegen als stark verarbeitet. Trotz tieferem Schweizer Rohstoff-Anteil, dürften Hersteller es als Schweizer Produkt verkaufen.

Das ist Unsinn, kritisiert die Stiftung für Konsumentenschutz. «Für die Konsumenten wird die ganze Sache überhaupt nicht klarer, sondern viel schwieriger. Wir können die Marke Schweiz stärken, das ist die Chance mit dieser Vorlage. Und ich finde, wir sollten die auch nützen», betont Prisca Birrer-Heimo, Präsidentin der Stiftung für Konsumentenschutz:  

Schlupfloch 2: Selbstversorgungsgrad

Die Nahrungsmittel Hersteller verlangen, es sollen nur noch Rohstoffe zählen, bei denen die Schweiz einen Selbstversorgungsgrad von mindestens 60% hat. Honig zum Beispiel gehört nicht dazu. Das heisst in letzter Konsequenz: Hersteller dürften ausländischen Honig in der Schweiz abfüllen und als Schweizer Honig verkaufen.

Unverständlich für Prisca Birrer-Heimo: «Ich bin überzeugt, unserer Wirtschaft würde es dienen, wenn wir unsere Marken gut verkaufen können: wo Schweiz draufsteht muss auch Schweiz drin sein».

Schlupfloch 3: Qualität der Rohstoffe

Die Nahrungsmittel-Hersteller wollen die Qualität der Rohstoffe als Kriterium zulassen. Beispiel: Fertig-Fondue-Hersteller könnten dann sagen, sie bräuchten für ihre Produkte unbedingt die Qualität des ausländischen Weins. Die Folge: 45 Prozent Schweizer Käse und Null Prozent Schweizer Wein für ein «Schweizer» Fondue.

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