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Konsum Gefälschte Bio-Produkte in der Schweiz

Der Schweizer Bio-Markt ist vom mutmasslichen Grossbetrug mit gefälschten Bio-Waren viel stärker betroffen als bisher bekannt. Die italienische Skandal-Firma hat wichtige Bioproduzenten beliefert. Die Migros hat den Verkauf eines Produkts gestoppt. Das zeigen «Kassensturz»-Recherchen.

Der Handel mit Bio-Produkten ist heute ein Milliardengeschäft. Für ihre Herstellung müssen Rohstoffe aus dem Ausland importiert werden. Zum Beispiel Bio-Soja für Futtermittel, welches dann zur Produktion von Bio-Fleisch oder –Eiern verwendet wird.

60 Prozent des in die Schweiz importierten Bio-Sojas kommt aus China. Zweitwichtigstes Herkunftsland ist Rumänien, gefolgt von Italien und Österreich.

Der lukrative internationale Handel mit Bio-Waren lockt aber auch Kriminelle an, wie der Skandal in Italien anfangs Dezember zeigt: Die italienische Finanzpolizei verhaftete sieben Personen, darunter Inhaber von Agrarhandelsfirmen und Direktoren einer Biozertifizierungsfirma.

Bio Suisse zertifiziert Skandalfirma

Und so funktionierte der mutmassliche Grossbetrug: In Rumänien wurden Mais, Weizen oder Sojabohnen in konventioneller Qualität angebaut, nach Italien geliefert und dann fälschlich als Bio-Waren deklariert – unter

Mithilfe einer italienischen Kontrollstelle. Angeklagte Firmen verkauften Waren auch in die Schweiz.

Futtergetreide
Legende: Normales Futtergetreide wurde als Bio verkauft. SRF

Im Zentrum des Skandals steht die italienische Bio-Firma Sunny Land, deren Chef ebenfalls verhaftet wurde. Bio Suisse hat Sunny Land für die Schweiz zertifiziert, zuletzt im Juli 2011. Somit war die italienische Firma ein anerkannter Lieferant für Schweizer Bioproduzenten.

Lieferungen in die Schweiz

Doch der Dachverband der Schweizer Knospenbetriebe will nicht offenlegen, welche Importeure bei Sunny Land gekauft haben. «Kassensturz» hat deshalb bei Importeuren und Bio-Futtermühlen nachgefragt und herausgefunden: Schweizer Firmen kauften nicht wie bisher bekannt nur Futtergetreide bei Sunny Land, sondern auch Weizen für Backwaren.

Die Firma Terravera sagt, sie habe 2011 mit Bio-Futterweizen von Sunny Land gehandelt. Dieser ist in die Bio-Futterindustrie gelangt. Der Importeur Agrokommerz hat 2011 neben Soja auch Mahlweizen bei der italienischen Sunny Land gekauft. Dieser wurde zu Brot und anderen Lebensmitteln verarbeitet.

Auch Peter Kretz, einer der grössten Importeure von Bio-Getreide, hat von Sunny Land Futtergetreide, Mais und Mahlgetreide gekauft und erhielt eine Bescheinigung von Bio Suisse. Er kritisiert: Nur Bio Suisse könne kontrollieren, habe ihm aber nicht offengelegt, woher die Ware genau stammte. «Ich fühle mich hintergangen, denn ich konnte meine Verantwortung als Importeur nicht wahrnehmen», sagt Peter Kretz.

Theoretisch überall gefälschte Ware

So wurden mutmasslich gefälschten Futter-Rohstoffe von Sunny Land in der Schweiz weiter verbreitet: Importeure lieferten die Ware an Futtermühlen. Diese verkauften das fertige Futter an Bauern überall in der Schweiz. Diese produzierten damit Bio-Fleisch oder Bio-Eier.

Das heisst: Aus möglicherweise gefälschten Bio-Rohstoffen von Sunny Land entstanden in der Schweiz Bio-Lebensmittel – Detailhändler verkauften diese dann an unzählige Konsumenten. In welche Produkte genau die möglicherweise gefälschten Rohstoffe gelangt sind, sei schwer herauszufinden, erklärt der Importeur Peter Kretz.

Bio-Label
Legende: Enthalten Bio-Produkte teilweise falsche Rohstoffe? SRF

Die Migros hat ein Dinkel-Lauch-Plätzli in Bioqualität vorsorglich im Lager gesperrt, sagt Migros-Mediensprecher Urs Peter Naef. «Einer unserer Lieferanten hat uns gemeldet, dass er Paniermehl für sein Produkt von einer Mühle bezogen hat, die ihrerseits Geschäftsbeziehungen mit Sunny Land pflegten», erklärt Naef. Mittlerweile sei das Produkt wieder im Laden. Denn Bio Suisse geht davon aus, dass Sunny Land keine gefälschte Ware in die Schweiz geliefert hat.

Machenschaften in der Branche bekannt

Das glaubt Adrian Wiedmer nicht. Mit seiner Firma Gebana ist er sei 12 Jahren  im Bio-Handel tätig. Der Skandal überrascht ihn nicht. Er selbst hat die Machenschaften von Sunny Land miterlebt: «Vor einem guten Jahr haben wir erfahren, dass von Brasilien ein paar Tausend Tonnen konventionelle Sojabohnen an die Firma Sunny Land geliefert wurden. Der Kunde stellte nur Bioprodukte her. Also war mir klar, dass aus diesen normalen Bohnen Bio-Bohnen wurden.»

Wiedmer sagt, er habe auch BioSuisse von diesem Vorfall erzählt. Doch passiert sei nichts. Er fordert: Bio-Produkte, die mit gefälschten Rohstoffen hergestellt wurden, müssen zurückgerufen werden. «Es wäre wirklich wichtig, dass man dieser Sache nachgeht, und nicht wartet, bis alles aufgegessen ist. Solange niemand hinsieht, wird morgen der nächste da sein, der etwas nicht sauber deklariert.»

Grosse Preisdifferenz verlockt

Bio-Suisse steht in der Kritik. Markus Lanfranchi aus dem Misox, selbst Mitglied von Bio Suisse und Präsident des Bioforums, fordert ein Umdenken beim Dachverband: «Ich glaube, je grösser ein Geschäft wird, umso wahrscheinlicher ist es, dass es zu solchen Betrügereien kommt.» Die Verlockung sei da, denn die Differenz zwischen einem konventionellen Produkt und einem Bio-Produkt sei relativ gross. «Und dort wo es Speck hat, da hat es Ratten.»

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