«Mineralöle haben nichts in Lebensmitteln verloren, ich jedenfalls möchte sie nicht essen», betont Konrad Grob, Chemiker im Kantonalen Labor Zürich. «Denn diese Stoffe können zu chronischen Entzündungen und gar zu Krebs führen.» Toxikologische Untersuchungen zeigen, dass 0,6 Milligramm Mineralöle pro Kilogramm Lebensmittel unproblematisch sind. In Stichproben von Lebensmitteln aus dem Schweizer Detailhandel hat Chemiker Konrad Grob aber weitaus höhere Werte gefunden: In insgesamt 18 von 21 untersuchten Proben waren die Werte bis zu 80 Mal zu hoch.
Kartonhersteller kennen das Problem
Das Mineralöl in den Kartonverpackungen stammt hauptsächlich aus dem Altpapier-Recycling. Die Druckerfarbe auf diesem Papier ist Mineralöl-haltig und gelangt so in die Lebensmittelverpackungen. Denn: Rund 15 Prozent des Altpapiers wird in Europa zu neuen Kartonverpackungen verarbeitet.
Die Kartonhersteller sind sich der Problematik der Mineralöl-Rückstände durchaus bewusst: «Natürlich reinigen wir die Recycling-Fasern, aber leider sind wir heute technisch nicht in der Lage, das Mineralöl herauszufiltern», erklärt Edoardo Finotti, Leiter Produktion und Innovation der grössten Schweizer Kartonverpackungsherstellerin Model AG in Weinfelden (TG). Gänzlich mineralölfreie Verpackungen könnten nur aus Frischfasern hergestellt werden, sprich: Man müsste bei den Lebensmittelverpackungen auf das Recycling verzichten, was aber wiederum ökologisch unsinnig wäre. Edoardo Finotti dazu: «Der Waldbestand in der Schweiz würde dadurch massiv gefährdet.»
Detailhändler suchen nach Lösungen
Der Detailhandel ist von den Mineralöl-Rückständen in den Produkten in seinen Gestellen aufgeschreckt. Lidl etwa hat noch am gleichen Tag, als «Kassensturz» die Firma mit den Resultaten konfrontierte, die Tagliatelle Combino aus dem Regal genommen. Man wolle die Verpackung auf ein Material umstellen, welches die Migration von Mineralölen zuverlässig ausschließt, schreibt Lidl dazu. Migros und Coop wollen die kontaminierten Produkte vorerst zwar nicht aus den Regalen nehmen. Doch man suche intensiv mit den Lebensmittelherstellern und der Verpackungsindustrie nach Lösungen des Problems. Beispielsweise nach Schutzfolien, welche die Lebensmittel vor einer Kontamination in den Kartonverpackungen schützen sollen.
Im Kantonslabor Zürich fanden die Chemiker zu ihrer Überraschung auch Mineralölspuren in Lebensmitteln mit Kartonverpackungen aus Frischfasern. Also aus Karton, der nicht aus Altpapier hergestellt wird. «Die Mineralöle gelangen hier durch die Druckfarbe, die auf die Schachtel aufgezogen wird, in den Karton» , erklärt Chemiker Konrad Grob dazu.
Ungefährliche Kartonverpackungen ist teurer
Beim Bedrucken von in der Schweiz hergestellten Kartonverpackungen soll es schon bald weniger Mineralöl-Rückstände in Lebensmitteln geben: Das Bundesamt für Gesundheit zwingt mit einer neuen Lebensmittelverordnung die Kartonhersteller, nur noch Mineralöl-arme Farben für den Druck zu verwenden. Trotzdem ist das Problem damit noch nicht gelöst. Denn die Verordnung gilt nur in der Schweiz. Alle aus der EU importierten Produkte können noch zu hohe Werte aufweisen.
Die Kartonhersteller befinden sich in einer Zwickmühle, sagt Martin Häberli, Geschäftsführer vom Branchenverband Swisscarton: «Wir sind in der Lage, Kartonverpackungen so herzustellen, dass sie sicher sind – entweder mit Frischzellen oder mit Zusatzbarrieren wie Aluminium, welche die Lebensmittel vor den Mineralölen in der Kartonverpackungen schützen. Nur kosten solche Verpackungen mehr. Die Frage ist, ob die Lebensmittelhersteller diese Mehrkosten tragen wollen.»
Ohne Grenzwerte keine Vorschriften
Die Mineralölfunde in den Lebensmitteln haben vorerst keine konkreten Folgen: Das Bundesamt für Gesundheit (BAG) will keine Grenzwerte im Essen festlegen: Man warte auf Vorgaben aus Deutschland. Dort werde derzeit an Grenzwerten gearbeitet, heisst es auf Anfrage von «Kassensturz». Auch das Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) warnt vor den Gefahren von Mineralöl in Lebensmitteln. Solange aber Grenzwerte fehlen, werden die Lebensmittelhersteller nicht zu sichereren Verpackungen gezwungen.