Nassrasur ist populär – schätzungsweise 60 Prozent der Männer benützen Rasierklingen. Zuhause greifen die meisten zu Gillette, dem unangefochtenen Marktführer mit einem Marktanteil von bis zu 90 Prozent. Kunden schätzen die Qualität, doch die Preise für die Klingen sind seit Jahren ein Ärgernis. Jetzt kommt es für die Konsumenten noch schlimmer. Gillette erhöht die Preise in diesen Sommer erneut. Hans-Rudolf Brauchbar, Einkaufschef von Denner, ist verärgert: «Gillette ist absoluter Weltmeister in ungerechtfertigten Preisaufschlägen.» In allen Ländern schlage er jedes Jahr im Sommer um 6 bis 7 Prozent auf. Die Marktmacht von Gillette sei nicht zu stoppen.
30 Prozent in 3 Jahren
Preissteigerungen bei Gillette Rasierklingen, am Beispiel von Gillette Mach3: Im November 2005 kosteten 8 Klingen noch 21.90 Franken. Im August 2006 bereits 23.90 Franken. Heutiger Preis in der Migros: 28.50 Franken. Das ist ein Preisaufschlag von 30 Prozent in nur drei Jahren. Mit einem riesigen Marketingbudget wirbt Gillette für immer teurere Rasierer mit immer mehr Klingen: «Mach 3» mit 3 Klingen, zuletzt Gillette Fusion mit 5. Auch Klingen für Frauen sind teuer.
Gillette wurde 2005 von Procter & Gamble übernommen. Der US-Multi setzt mit seiner Marktmacht hohe Preise durch. «Kassensturz» macht den Preisvergleich für 8 Klingen des Modells M3 Power. Coop und Migros haben ihre Preise an Denner angepasst. Auffällig: Alle drei Detailhändler verlangen gleich viel: 33.95 Franken. Deutlich günstiger ist der Online-Shop McShave: 26.90 Franken, ohne Portokosten. Zum Vergleich: In einem Online-Shop in den USA kosten die Klingen umgerechnet nur 20.15 Franken.
Möglicher Grund für die hohen Gillette-Preise: Mittels Preislisten diktiert der Hersteller die Preise. «Kassensturz» liegen vertrauliche Dokumente vor. Sie zeigen, Gillette macht den Detailhändlern Preisempfehlungen. Das heisst, der Multi sagt, wie viel Gillette-Klingen im Laden kosten sollen. Pikant: Bisher haben sich die Grossverteiler mehrfach an diese Empfehlungen gehalten.
Preise sind «autonom»
Viele Hersteller von Markenartikel versuchen mittels Preisempfehlungen den Wettbewerb auszuschalten. Setzen sie ihre Empfehlungen im Handel durch, liegt laut Kartellrechtsexperte Patrick Krauskopf womöglich ein Verstoss gegen das Kartellgesetz vor. Aus Sicht des Konsumenten seien Preisvergleiche zwischen verschiedenen Händlern wichtig. Krauskopf: «Dieser Preiswettbewerb zu Gunsten des Konsumenten wird völlig eliminiert, wenn Preisempfehlungen durchgesetzt werden und man schliesslich nur noch einen Einheitspreis hat.»
Einheitspreis für Gillette Fusion – die Klingen kosten bei Coop, Migros und Denner gleichviel: 35.95 Franken. Günstiger bei McShave: 29.95 Franken. Preis in den USA: umgerechnet 24.65 Franken. Der kleine Online-Händler McShave in Zug hält sich nicht an die Preisvorgaben von Gillette. Geschäftsführer Thomas Bleiker importiert die Klingen direkt aus Übersee. Mit Preisempfehlungen habe er nichts am Hut: «Wir kalkulieren selber», sagt Bleiker.
Procter & Gamble sagt zur Kritik an den Preisen: Gillette investiere viel Geld in die Entwicklung seiner Rasursysteme, um diese kontinuierlich zu verbessern. «Die Festsetzung der Endverbraucherpreise geschieht autonom durch unsere Handelskunden. Wir geben unseren Handelspartnern lediglich unverbindliche Preisempfehlungen an die Hand.»
Gesetz vor Demontage
Gillette-Klingen sind dermassen teuer, dass sie wegen Diebstahlgefahr speziell gesichert sind. Trotz hoher Gillette-Preise sind die günstigen Eigenmarken bei den Kunden weniger gefragt. Philipp Schenker, Leiter Beschaffung Non Food bei Coop, sagt, warum Coop Gillette-Klingen gleich teuer verkauft wie Migros. Preise würden in keiner Art und Weise abgesprochen. Schenker: «Wir haben strategische Vorgaben. Darin heisst es, dass wir uns bei den Markenartikeln preislich nicht unterbieten lassen. Entsprechend legen wir auch unsere Preise fest.» Das könne im Vergleich zur Konkurrenz zu gewissen Pattsituationen führen.
Mit dem heutigen Kartellgesetz könnten die Behörden Preisabsprachen, sogenannte Abreden, ahnden. Mit Artikel 5 Absatz 4. Doch genau dieser Artikel soll gestrichen, das Kartellrecht aufgeweicht werden. Ausgerechnet Economiesuisse, der Dachverband der Schweizer Wirtschaft, befürwortet die Abschaffung des Artikels. Economiesuisse widerspricht dem Vorwurf, dass dies wettbewerbsfeindlich sei. Für Geschäftsleitungsmitglied Thomas Pletscher sind Preisempfehlungen nicht in jedem Fall schädlich. Es komme darauf an, ob ein Unternehmen in der Lage sei, völlig unabhängig die Bedingungen zu diktieren oder ob Wettbewerb herrsche. Pletscher: «Es hängt davon ab, ob die Preisempfehlung eine Orientierung für die Konsumenten darstellt, wie beispielsweise bei einer Preisliste für ein Auto.»
Vor der Demontage des Kartellrechts warnt der Kartellrechtsexperte. Die Folge wären höhere Preise für die Konsumenten. Patrick Krauskopf: «Wenn Artikel 5 Absatz 4 wegfallen sollte, dann könnte die Wettbewerbskommission gegen Preisempfehlungen, gegen marktabschottende Massnahmen von Unternehmen gar nicht mehr richtig vorgehen.» Die Wettbewerbskommission will die Preisbildung bei Gillette-Klingen unter die Lupe nehmen.