Das meiste Kaninchenfleisch, 80 Prozent, wird importiert. Der grösste Produzent ist eine Schweizer Firma in Ungarn. Dort kostet das Kaninchen nur halb so viel wie in der Schweiz. Der Produzent beliefert vor allem Migros und Coop.
Haltung gerechtfertigt
Bereits im März berichtete «Kassensturz» über diese Kaninchenmast. Die Schweizer Firma zeigte einen Teil ihrer Ställe. Die Haltung ist besser als die im Ausland verbreitete enge Käfighaltung auf Gitterrost. Doch sie entspricht nicht den Schweizer Tierschutzbestimmungen: Die Tiere haben viel weniger Platz und kaum Beschäftigung.
Der Geschäftsführer der Firma rechtfertigte seine Mast im März: «Für uns ist wichtig, dass die Tiere sich wohlfühlen. Wir legen grossen Wert auf die Nahrungsmittel, die wir den Tieren zur Verfügung stellen.»
Schwere Verletzungen
Doch die Realität sieht anders aus. Geheime Filmaufnahmen von diesem Sommer zeigen angefressene Ohren, tote Kaninchen, eitrige Wunden. Das GPS-Gerät belegt: Die Bilder stammen aus dem ungarischen Mastbetrieb der Firma in Dabas.
Zugespielt wurden die Bilder der Tierschutzorganisation «Vier Pfoten». Markus Müller hat schon viele schlimme Kaninchenfarmen gesehen. Er ist schockiert: «Dass die Tiere übereinander herfallen, sich verletzen, scheint in diesem Betrieb die Regel zu sein.» Offenbar sei kein Interesse vorhanden, schwerverletzten und verwundeten Tieren zu helfen. Es zähle nur ihr Schlachtkörper. «Da sieht man nicht mehr, ob das Kaninchen gelitten hat», sagt Müller.
«Fall für den Tierschutz»
«Kassensturz» zeigt die Aufnahmen Professor Richard Hoop vom Tierspital in Zürich. Er seziert jedes Jahr mehrere hundert Mastkaninchen, doch solche Bilder sehe er in der Schweiz selten. Für ihn ist klar: «Wenn man gegen schwere Verletzungen nichts unternimmt, keinen Tierarzt aufbietet, sie nicht behandelt und die Tiere einfach sterben lässt, dann wäre das eigentlich ein Tierschutzfall.»
«Kassensturz» konfrontiert in Ungarn den Geschäftsführer mit den Bildern aus seinem Mastbetrieb. Diesmal darf «Kassensturz» auch einen Stall mit älteren Kaninchen besichtigen. Dort sieht das Reporter-Team immer wieder verletzte und offensichtlich leidende Tiere. Doch filmen darf «Kassensturz» nur die gesunden Kaninchen.
Wer Kaninchen nicht tiergerecht hält, nimmt in Kauf, dass sich die Tiere verletzen, kritisiert Kaninchenexperte Richard Hoop. Ursache für die Verletzungen seien die Haltung auf sehr engem Raum und fehlende Beschäftigungsmöglichkeiten. «Es werden ihnen keine Äste und Zweige zur Verfügung gestellt. Darum beginnen sie, gegenseitig an den Ohren zu knabbern.»
Migros stoppt Lieferung
Die Migros ist mit jährlich 570 Tonnen Kaninchenfleisch die grösste Kundin des Schweizer Produzenten. Der Grossverteiler setzt sich seit Jahren für eine bessere Haltung in diesem Betrieb ein. «Kassensturz» zeigt dem Migros-Verantwortlichen eine Auswahl der Bilder. Für Hans Peter Meier, Leiter Frische, sind die Aufnahmen inakzeptabel. Er handelt sofort: «Wir haben einen sofortigen Lieferstopp verfügt.» Migros wolle zusammen mit dem Lieferanten nun konkrete Massnahmen prüfen, um Pflege und Haltung der Kaninchen zu verbessern. Dabei sollen auch die Platzverhältnisse unter die Lupe genommen werden, verspricht Meier.
Höchste Zeit, denn die Tierhaltung muss auch bei Importkaninchen deutlich besser werden.