Eigentlich ist es einfach: In der Schweiz gelten grundsätzlich drei Mehrwertsteuer-Sätze: Der Normalsatz von 8,0 Prozent, der reduzierte Satz von 2,5 Prozent für Produkte des täglichen Bedarfs. Und der Beherbergungssatz von 3,8 Prozent.
Eigentlich. Denn wer in die Tiefen des Mehrwertsteuer-Dschungels eintaucht, findet so manches Beispiel, das nicht so ohne weiteres nachvollziehbar ist.
Babywindeln stärker besteuert als Katzenstreu
Beide Produkte dienen letztlich dem gleichen Zweck: Katzenstreu und Baby-Windeln. Die Mehrwertsteuer behandelt sie aber unterschiedlich. Während Babywindeln mit 8 Prozent Mehrwertsteuer belastet werden, sind es bei der Katzenstreu nur 2,5 Prozent. Der Grund: Tierstreu ist wie die meisten in der Landwirtschaft gebrauchten Güter zum reduzierten Satz besteuert. Das Gesetz unterscheidet hier nicht, ob die Einstreu für Nutztiere oder Haustiere gebraucht wird. Davon profitieren Katzenbesitzer.
Foto nicht gleich Foto
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Ein anderes Kuriosum: Bestellt man seine Ferienfotos im Fotolabor als einzelne Abzüge, werden 8 Prozent Mehrwertsteuer fällig. Bestellt man dieselben Fotos aber als Fotobuch, dann sind es lediglich 2,5 Prozent. «Der Grund ist, dass ein Fotobuch als Printprodukt gilt, und Printprodukte werden zum reduzierten Satz besteuert», erklärt Claude Grosjean, Leiter Stab Gesetzgebung Mehrwertsteuer bei der Eidgenössischen Steuerverwaltung ESTV in der Sendung «Kassensturz» von SRF.
Buch nicht gleich Buch
Ähnlich absurd: Ein Roman auf Papier wird zu 2,5 Prozent besteuert, derselbe Roman als E-Book aber mit 7,7 Prozent. Auch hier: Das Buch gilt als Printprodukt, das E-Book nicht. Der Nationalrat hätte kürzlich die Möglichkeit gehabt, diese Diskriminierung zu beseitigen. Er hat eine entsprechende Motion aber mit 89 zu 90 Stimmen abgelehnt.
Die Abgrenzungen sind das Problem
«Das Gesetz kann schlicht nicht jedes Produkt einzeln regeln», sagt Claude Grosjean von der Eidgenössischen Steuerverwaltung. Deshalb ist etwa auch das Luxusprodukt Kaviar mit dem reduzierten Satz besteuert. «Dieser gilt generell für alle Lebensmittel.» Wo würde man sonst die Grenze ziehen? Beim Kotelett, beim Filet oder erst beim Kaviar?
Spielfilme: Mal Kulturgut, mal Konsumgut
Total absurd wird es beim Thema Spielfilm. Schaut man den im Kino, bezahlt man auf das Ticket 2,5 Prozent MWST. Kauft man denselben Film auf DVD, werden plötzlich 8,0 Prozent fällig. «Das Gesetz behandelt die Kinovorführung als Kultur-Leistung, welche zum reduzierten Satz besteuert wird. Die DVD gilt wie die Musik-CD als normales Konsumgut. Deshalb gilt der Normalsatz», sagt Mehrwertsteuer-Experte Claude Grosjean. Aha: Schaut man einen Film im Kino ist es also Kultur, zu Hause ist es Konsum.
Unterschiedlich besteuert wird auch das Käse-Sandwich: Kauft man es am Kiosk, gilt 2,5 Prozent MWST, kauft man es an der Minibar im Zug, sind es 8,0 Prozent. Ein Grenzfall, gibt Claude Grosjean zu: «Das Gesetz sagt, es ist eine Konsumation vor Ort, es hat ein Tischchen, man kann sitzen. Es ist vergleichbar, wie wenn sie im Restaurant sind. Und deshalb gilt es als Restaurantleistung und ist zu 8,0 Prozent besteuert.»
Fragt man Passanten auf der Strasse, welche Mehrwertsteuer für welche Produkte gelten, kommt meistens dieselbe Antwort: «Keine Ahnung!». Und meistens folgt der Nachsatz wie von diesem Herrn: «Ich verstehe die Mehrwertsteuer eh nicht . Das ist viel zu kompliziert mit den unterschiedlichen Sätzen. Von mir aus könnte alles gleich sein.»