Die Migros-Tochter Mibelle in Buchs bei Aarau stellt seit Jahrzehnten Kosmetikprodukte für Migros her. Doch mittlerweile macht die Migros-Firma mehr als die Hälfte des 200-Millionen-Umsatzes mit Exporten, Tendenz steigend. Für wen und was genau, darüber schweigt die Firma. «Strenges Geschäftsgeheimnis».
Kassensturz weiss: Mibelle produziert für sämtliche deutschen Drogerieketten unter den jeweiligen Eigenmarken. Ein Insider: «Das sind keine Ramschwaren, sondern qualitativ gute Produkte, umso unverständlicher ist es für mich, dass man diese Produkte in der Migros zum vierfachen Preis erstehen muss.»
Wettbewerbsmangel führt zu Preisgefälle
Migros betont, dass die Rezepturen der exportierten Produkte sich unterscheiden. Nie gelange das identische Migros-Produkt in den Export. Doch erklärt dies den Preisunterschied? «Nein», vermutet Wirtschaftsprofessor Reiner Eichenberger. Er befasst sich seit Jahren mit der Hochpreisinsel Schweiz. Das Preisgefälle zum Ausland liege häufig nicht an den Produktionskosten, sondern am mangelnden Wettbewerb in der Schweiz. «In Deutschland gibt es allein 4 Drogeriemärkte, die sich einen Preiskampf liefern.» Hierzulande könne sich jeder eine Nische suchen, damit es eben gar nicht zum Preiskampf komme.
Drogeriemarkt DM in Konstanz: Die Migros liefert die verschiedensten Produkte, besonders Duschgel. Über 15 Millionen Stück pro Jahr produziert Migros für die bekannte DM-Eigenmarke Balea. Auch hier verweisen die Deutschen auf das Schweizer Qualitätsprodukt.
Keine Auswahl im Billigsortiment
In der Schweiz führt Migros vom Äusseren her ein ähnliches Produkt unter dem Namen Fanjo. Der Preisvergleich zeigt: Das Duschgel Balea, hergestellt von der Migros, kostet bei DM in Deutschland 65 Cents. Das sind ohne Mehrwertsteuer umgerechnet 90 Rappen. Das ähnliche Migros-Produkt Fanjo kostet 3.80, auf die gleiche Menge umgerechnet 4.25 Franken, mehr als vier Mal soviel. Wer günstig einkaufen will, muss in der Schweiz zu M-Budget greifen, hat aber nur ein einziges Produkt zur Auswahl. Reiner Eichenberger: «Diese M-Budget-Produkte beweisen ja, dass man auch in der Schweiz sehr günstig produzieren und verkaufen kann.»
Kassensturz konfrontiert die Migros mit den Recherchen. Mibelle-Chef Luigi Pedrocchi nimmt Stellung: Die Herstellungskosten für Exportprodukte würden tiefer ausfallen, weil die produzierten Mengen viel grösser seien. «Wir haben unterschiedliche Herstellungskosten. Je grösser die Produktionsmenge ist, desto geringer der Preis.» Man rechne bei einer Verdoppelung der Menge mit Kosteneinsparungen von ungefähr 20 Prozent. Bei einer Verzehnfachung mache es natürlich entsprechend mehr aus.
Ähnliche Rezepturen
Doch wie gross sind die Herstellungskosten im Verhältnis zum Verkaufspreis? Kein Kommentar dazu von der Migros. Kassensturz will es genau wissen. Alex Edelmann von der Firma Primecos in Zug vertreibt und produziert kosmetische Produkte. Für Kassensturz vergleicht er die Produkte und nimmt eine Schätzung der Preiszusammensetzung vor.
«Wenn man das Duschmittel von der Migros mit dem Balea-Duschmittel vergleicht, dann sieht man ähnliche Rezepturen. Darin wird der Unterschied nicht liegen. Man hat Rohmaterialkosten von 15 bis 20 Rappen, aber fest zu Buche schlagen werden die Verpackungskosten.» Denn es sei ein Unterschied, ob man eine zweistellige Millionenzahl für den Markt Deutschland produziere oder 100 000 Stück für die Schweiz. Dann gelte es auch, Marketing und Transport zu berücksichtigen.
Ein konkreter Margenvergleich: Fanjo kostet in der Schweiz 3.80, DM-Balea 1.07 Franken. So setzt sich der Preis zusammen: Die Herstellungskosten, also Material, Verpackung, aber auch Werbung und Logistik, betragen bei Fanjo rund 1.50 Franken. Die entsprechenden Produktekosten bei DM rund 60 Rappen. Das heisst, die Migros hat eine Bruttomarge von 2.30 Franken, die Marge auf dem DM-Produkt beträgt insgesamt 50 Rappen.
Viel höhere Ladenkosten
Das sind Schätzungen, doch unbestritten ist, auch wenn die Herstellungskosten etwas höher sind, der Preisunterschied erklärt sich durch die unterschiedlichen Margen. «Die Migros könnte viel günstiger verkaufen», sagte der Kassensturz-Informant.
Die Migros widerspricht: «Auf Grund der Kostenstruktur in der Schweiz seien die Margen um einige Prozentpunkte höher als in Deutschland.» Im Gegensatz zu einem Spezialisten brauche das Ladenkonzept eines Vollsortimenters wie der Migros eine höhere Marge. Zudem würde der Schweizer Kunde vom Export profitieren, weil durch die Mengenausweitung effizienter und kostengünstiger produziert werden könne.
Doch sinken dadurch auch die Preise? «Nicht zwingend», erklärt der Wirtschaftsexperte Reiner Eichenberger. «Von tieferen Kosten profitiert der Migros-Kunde nicht direkt. Wenn Migros tiefere Produktionskosten hat, dann ist das vor allem gut für die Migros, dann kann sie mit den gleichen Preisen weitergeschäften und mehr Gewinn machen.» Migros würde ganz vernünftig handeln, indem sie tiefe Kosten nur weitergebe, wenn die Konkurrenz wächst und Preisdruck da ist.