Eine Colgate-Zahnpasta kostet in Deutschland umgerechnet 1.90 Franken. In der Schweiz kostet dieselbe Zahnpasta 4.90 Franken. Schweizer zahlen also 159 Prozent mehr – für das gleiche Produkt. Haribo-Gummibären sind in der Schweiz doppelt so teuer wie im Ausland. Ebenso OB-Tampons oder der Rasierschaum von Wilkinson aus der Migros.
Überhöhte Einstandspreise
Die Migros gibt den Markenartikelkonzernen die Schuld an den überhöhten Preisen: «Bei gewissen Produkten liegt sogar unser Einstandspreis höher als der Verkaufspreis in Deutschland», sagt Migros-Sprecher Urs Peter Naef. Das heisst: Die Migros muss im Einkauf für die gleichen Produkte mehr bezahlen als die Konsumenten in Deutschland im Laden. «Ein Head&Shoulders-Shampoo ist bei uns 1 Franken teurer im Einstand, als es in Deutschland im Laden verkauft wird», kritisiert Naef.
Im Ausland nicht beliefert
Wenn die Migros die Produkte im Ausland zu niedrigen Preisen beziehen möchten, würde sie nicht beliefert. «Die Hersteller zwingen uns, ihre Produkte bei der Schweizer Tochterfirma zum höheren Preis zu kaufen», sagt Urs Peter Naef. Das hat seinen Grund: «Die internationalen Markenartikel-Hersteller möchten die hohe Kaufkraft in der Schweiz abschöpfen.»
Verschärfung des Kartellgesetzes
Gegen die Hochpreisinsel Schweiz muss etwas geschehen, darin sind sich alle einig. Im August hat Bundesrat Johann Schneider Ammann Detailhändler, Hersteller und Experten an einen runden Tisch gebeten. Viele setzten ihre Hoffnungen auf eine Verschärfung des Kartellgesetzes. Jetzt liegen die Leitplanken des Bundesrats für die Kartellgesetz-Revision auf dem Tisch: Neu sind wettbewerbsschädliche Absprachen, so genannte Abreden, grundsätzlich unzulässig.
Der Präsident der Wettbewerbskomission, Vincent Martenet, begrüsst diese Revisionsvorschläge des Bundesrats: «Damit wird es für uns einfacher, gegen schädliche Abreden vorgehen zu können», erklärt er gegenüber «Kassensturz».
Für Kartellrechtsexperte Roger Zäch, dem ehemaligen Vize-Präsidenten der Wettbewerbskommission, gehen die Vorschläge aber zu wenig weit: «Grosskonzerne verkaufen ihre Produkte sehr oft via Tochterfirmen. Und genau da nützen die vorgeschlagen Massnahmen nichts.» Denn Preisabsprachen im Sinne des Kartellgesetzes gibt es per Definition nur zwischen zwei voneinander unabhängigen Firmen – und nicht innerhalb eines Konzerns.
Gegen missbräuchliche Preisunterschiede
Der emeritierte Professor für Wirtschaftsrecht an der Universität Zürich schlägt vor, das Kartellgesetz um eine Bestimmung gegen «missbräuchliche Preisdifferenzierungen» zu ergänzen: «Die Behörden müssen eingreifen können, wenn ein Unternehmen im Ausland tiefere Preise verlangt als in der Schweiz und gleichzeitig Schweizer nicht beliefert, die im Ausland zu dort geltenden Preisen einkaufen möchten.»
«Planwirtschaftliches Eingreifen»
Gegen eine solche Bestimmung wehrt sich Thomas Pletscher, Geschäftsleitungsmitglied beim Wirtschaftsdachverband Economiesuisse. Das Kartellgesetz erlaube heute schon Eingriffe gegen missbräuchliche Preisdiskriminierungen bei marktbeherrschenden Unternehmen. «Es kann ja nicht sein, dass der Staat für Migros oder Coop oder die Konsumenten Preise verhandelt. Das wäre geradezu ein planwirtschaftliches Eingreifen in die Marktwirtschaft», so Thomas Pletscher.
Doch Priska Birrer-Heimo, Nationalrätin und Präsidentin der Stiftung für Konsumentenschutz, fordert mit Nachdruck eine solche Ergänzung im Kartellgesetz. Der vorliegende Vorschlag reicht ihr nicht. «Es ist ein erster Schritt, aber es ist noch nicht wirksam genug gegen die hohen Preise in der Schweiz»
Das Parlament hat es in der Hand
Birrer-Heimo hat deshalb den Vorschlag von Kartellrechtsexperte Roger Zäch aufgenommen und im Parlament Vorstösse zur Ergänzung des Kartellgesetzes eingereicht: «Wenn ausländische Produzenten und Lieferanten einfach den Preiszuschlag Schweiz machen – nach dem Motto, die können auch mal mehr bezahlen – dann muss man dagegen vorgehen können.» Das Parlament hat in der bevorstehenden Sondersession zum starken Franken Gelegenheit, für wirksame Bestimmungen im Kartellgesetz zu sorgen.