Adrian Baumann aus Basel kauft regelmässig übers Internet im Ausland ein. Für seinen 4-jährigen Sohn Yves bestellte er spezielle Mützen und T-Shirts. Die Kleider kosteten 88 Franken.
Drei verschiedene Gebühren
«Ich fand es ungeheuerlich, dass ich auf einem Betrag von 88 Franken zusätzlich 60 Franken Gebühren bezahlen muss», empört sich Baumann. «Das ist ein krasses Missverhältnis, und ich finde dies schlichtweg eine Schweinerei.»
Der Spediteur, die Swiss Post, verlangte für die Verzollung hohe Gebühren: Eine Gebühr für den «CustomsClearance Service» von 33 Franken, 10 Franken für die Importadministration und weitere 10 Franken für eine «Vorlageprovision». Das macht mit der Schweizer Mehrwertsteuer total 60 Franken.
Günstiger mit der Post
Pakete aus dem Ausland können auf zwei Arten verzollt werden: Liefert ein privater Spediteur in die Schweiz, kommt die teure Privatverzollung zur Anwendung.
Wesentlich günstiger ist die vereinfachte Postverzollung. Pakete bis 60 Franken sind gebührenfrei. Ist die Ware teurer, verlangt die Post eine Gebühr von 18 Franken.
Gegen den freien Wettbewerb
Hohe Zollgebühren sind ein Dauerärger für die Konsumenten. Kein Wunder stapeln sich bei Preisüberwacher Stefan Meierhans die Klagen. «Preisbewusste Kundinnen und Kunden, welche den Markt und den Wettbewerb spielen lassen wollen, die werden mit dieser Regelung bestraft», so Meierhans.
Dies stehe in einem klaren Widerspruch zum politischen Programm vieler bürgerlichen Parteien, welche stets mehr Wettbewerb fordern. «Hier legt man den Leuten, welche dies für sich in Anspruch nehmen wollen, Steine in den Weg.»
Erfolgreiches Lobbying
Nationalrätin Susanne Leutenegger Oberholzer hat dazu eine Motion eingereicht. Sie verlangt erstens die günstige vereinfachte Postverzollung für alle Spediteure. Und zweitens: Konsumenten sollen Pakete bis 130 Franken ohne Gebühren und Mehrwertsteuer einführen können. Bundesrat und Nationalrat stimmten zu. Doch nun droht im Ständerat die Ablehnung.
«Alle reden von Wettbewerb und davon, dass die Hochpreisinsel geknackt werden muss, dass es tiefere Preise brauche», so Leutenegger Oberholzer. «Wenn es aber um konkrete Massnahmen gehe, so versenke die Lobby entsprechende Vorschläge.»
Lobbyisten aus Wirtschaft und Gewerbe sind gegen die Motion vorgegangen. Sie beeinflussten Mitglieder der zuständigen Ständerats-Kommission. Ihr Ziel haben sie erreicht – die Lobbyarbeit war erfolgreich.
Koordinierte Aktion
Die Ständerats-Kommission zählt 13 Mitglieder. Bei der Abstimmung lehnten 9 Parlamentarier die Motion ab. Bloss 2 waren dafür. Die meisten Ständeräte stimmten gegen die Interessen der Konsumenten.
Kassensturz wurde ein vertrauliches Mail zugespielt. Es verrät, wie die Lobbyisten vorgingen. Man habe in einer koordinierten Aktion gemeinsam mit dem Gewerbeverband und economiesuisse gezielt Ständeräte kontaktiert. Absender des Mails: Patrick Kessler, Präsident des Verbands des Schweizerischen Versandhandels (VSV).
Lobbyist: Dafür und doch dagegen
Der Vertreter von 100 Versandhäuser hat die Aktion gegen den günstigen Online-Kauf im Ausland koordiniert. Kessler will nicht, dass Konsumenten bis zu 130 Franken ohne Mehrwertsteuer einkaufen können.
Kessler widerspricht: «Wir sind für eine vereinfachte Verzollung. Wir sind einzig dagegen, dass ein Unternehmen aus dem Ausland in die Schweiz bis zu diesem hohen Betrag mehrwertsteuerbefreit liefern kann.»
Versandhändler kassieren ab
Allerdings geht es auch um den Schutz des einheimischen Versandhandels. Denn in der Schweiz sind Preise und Margen hoch. Beispiel: Das Versandhaus Heine bietet das gleiche lila Herrenhemd im Schweizer wie auch im deutschen Online-Shop an. Preis in der Schweiz: Fast 50 Franken, in Deutschland bloss 25 Euro, inklusive deutsche Mehrwertsteuer. Das sind umgerechnet 33 Franken.
Beim Versandhaus Hessnatur kostet ein Pullover 109 Franken, der gleiche Pullover in Deutschland 60 Euro. Das sind weniger als 80 Franken. Grosse Preisunterschiede finden sich auch in vielen Versandkatalogen, etwa dem von Kidoh.
Ausländische Firmen profitieren
«Das ist ein Skandal im eigentlichen Sinne des Wortes», empört sich Leutenegger Oberholzer. Es mache die Leute wütend, wenn sie in Schweizerfranken fast das Doppelte bezahlen müssten.
«Hier profitieren nur die ausländischen Firmen, sagt sie. «Die Konsumentinnen und Konsumenten werden massiv geschröpft.»
Die Mission gegen den günstigen Online-Kauf im Ausland war wirksam. Ein Erfolg für die Lobbyisten. Für die Konsumenten eine Niederlage.