Ob Kalbssteak, Zürcher Geschnetzeltes oder Vitello Tonnato – viele Fleischliebhaber wählen Kalb, wenn sie sich im Restaurant etwas gönnen möchten. In der Schweiz wird über die Hälfte des Kalbfleisches ausser Haus konsumiert.
Vor allem in teuren Restaurants erwarten Kunden beste Produkte. Doch beim Kalbfleisch bedeutet teuer nicht artgerecht. Das zeigt eine Umfrage von «Kassensturz/Espresso» bei Schweizer Luxusrestaurants.
Wir wollten wissen, welche Restaurants immer noch weisses Kalbfleisch einkaufen. Eigentlich sollte weisses Kalbfleisch von den Tellern verschwinden: Weiss wird Kalbfleisch nämlich nur, wenn der Bauer die Tiere mit zu wenig eisenhaltigem Futter versorgt. Die Kälber werden dadurch krank, deshalb ist diese Mangelernährung ab 1. September gesetzlich verboten.
«Am liebsten weiss»
Trotzdem ist das weisse Fleisch immer noch gefragt. Von sechzig angefragten Restaurants haben 21 geantwortet. Fast die Hälfte oder 10 von 21 Köchen kaufen weisses Kalbfleisch ein. Oder sie bevorzugen weisses Kalbfleisch, wenn es denn erhältlich ist.
So schreibt das Zürcher Restaurant Mesa, die Farbe sei eigentlich ein wichtiges Kriterium beim Einkauf. Es sei schade, dass man nicht mehr die gewohnte, gleiche Qualität einkaufen könne. Man kaufe am liebsten weisses Kalbfleisch, das aber dem Tierschutzgesetz entspreche. Das Restaurant Chesery in Gstaad sagt, rotes Kalbfleisch kaufe man nicht, sondern rosa. Zum weissen Kalbfleisch heisst es: «Falls es noch welches gäbe, würden wir es einkaufen». Ähnlich äussert sich das Restaurant Chat Botté im Genfer Hotel Beau Rivage.
«Beunruhigendes Resultat»
Die Restaurants Römerhof in Arbon, Lampart’s in Hägendorf SO und das Le Cerf in Cossonay VD kaufen weisses Kalbfleisch ein. Nicht explizit aber «auch» weisses Kalb kauft das Restaurant Attisholz bei Solothurn. Immerhin: Keiner der Spitzenköche lehnt rosa Kalbfleisch ab. Rotes Kalbfleisch hingegen kommt vielen nicht auf den Tisch.
Hansuli Huber vom Schweizerischen Tierschutz sagt, es sei beunruhigend, dass offenbar fast der Hälfte der Restaurants in der Umfrage die Kälbergesundheit egal sei. «Der Verband Gastrosuisse müsste aktiver sein und bei der Rohstoff-Beschaffung der Köche auf hohe Qualität auch beim Tierwohl drängen», so Hansuli Huber. Das Resultat spiegle das Desinteresse, das der Restaurant-Verband Gastrosuisse bis vor kurzem den Anliegen zum Tierwohl gegenüber gezeigt habe.
Der Gast entscheidet
Auch die Grossmetzgereien betonen, dass helles Kalbfleisch besonders in der Gastronomie gefragt sei und dass viele Einkäufer in Restaurants rotes Kalbfleisch immer noch ablehnen. Der stellvertretende Gastrosuisse-Direktor Hannes Jaisli sagt, man sensibilisiere die Restaurants auf verschiedenen Wegen über die neue Kalbfleischfarbe. Aber: «Jahrzehntelang galt die helle Farbe als Qualitätsmerkmal.» Deshalb brauche das Umdenken eine gewisse Zeit.
Auf Speisekarten könne der Verband aus Sicht von Jaisli aber sowieso keinen Einfluss nehmen. Auch der Gast trägt eine Verantwortung. Jeder Betrieb müsse letztlich die Wünsche seiner Gäste berücksichtigen: «De facto entscheidet der Gast, welches Fleisch er konsumieren möchte.» Mit anderen Worten: Gäste, denen das Tierwohl am Herzen liegt, werden also in manchen Restaurants auf Kalbfleisch verzichten müssen. Oder das Restaurant wechseln.
Restaurants ohne weisses Kalb
Dass der Sinneswandel rasch erfolgen kann, zeigt Bernard Ravet vom L’Ermitage in Vufflens-le-Chateau, einer der höchstdekorierten Köche des Landes. Noch im letzten Jahr gab er in der Umfrage an: «Kalbfleisch muss weiss sein und auch so bleiben.». Nun antwortet er, er habe seine Haltung geändert und ziehe nun das Tierwohl in Betracht: «Ich habe in der Region rotes Kalbfleisch von exzellenter Qualität gefunden».
Mehrere Restaurants in der Deutschschweiz geben an, dass weisse Fleischfarbe beim Einkauf kein Kriterium sei oder sie auf weisses Fleisch verzichten. So zum Beispiel das Restaurant Stucki in Basel, das Restaurant Schauenstein in Fürstenau GR, das Restaurant Zum Adler in Hurden ZH oder der Schlüssel in Mels SG. Rico’s Kunststuben in Küsnacht ZH, die Taverne zum Schäfli in Wigoltingen TG, die Traube in Trimbach SO oder das Restaurant Sein in Zürich.