Vor kurzem berichtete «Kassensturz» über «Nero». Der Labrador leidet unter schmerzhaften Gelenkverformungen. Der erst einjährige Rüde musste bereits an beiden Vorderläufen operiert werden. Tierarztkosten bisher: 6000 Franken.
«Kassensturz» kennt mittlerweile zwanzig Käufer von Welpen aus derselben Zucht. Alle diese Hunde leiden an einer schweren Krankheit. Eine Qual für die Tiere. Der Vorwurf der Besitzer: Die Züchterin habe ihnen kranke Hunde verkauft. Und weigere sich, einen Teil des Kaufpreises zurückzuerstatten.
Gegenüber «Kassensturz» wollte die Züchterin nichts sagen. Stattdessen ging sie zum Richter. Der verfügte vorsorglich ein provisorisches Ausstrahlungsverbot. Ein fragwürdiger Entscheid. Denn «Kassensturz» kann die Vorwürfe der Besitzer belegen.
Züchterin erwirkte «superprovisorische Verfügung»
Die Zuschauer sollten deshalb erfahren, wie die Züchterin heisst, die kranke Welpen verkauft. «Kassensturz» wollte vor dieser Zucht warnen.
Doch der Einzelrichter in Willisau verbot, den Namen der Zucht zu nennen - mit einer sogenannten superprovisorischen Verfügung. Das heisst, er verbot die Ausstrahlung, ohne «Kassensturz» vorher anzuhören.
Richter handelten verfassungswidrig
Diese Schnelljustiz sei verfassungswidrig, sagt Franz Riklin, emeritierter Professor für Strafrecht an der Universität Fribourg und Medienrechtsexperte. Denn der Richter hätte tagelang Zeit gehabt, mit «Kassensturz» zu sprechen.
In der Verfassung steht, dass ein Richter jedem das rechtliche Gehör geben muss, d.h. er muss beide Seiten anhören, bevor er entscheidet. Trotzdem tat er es nicht: «Das ist ganz krass missbräuchlich und gesetzeswidrig», sagt Riklin.
Richter hatten immer genug Zeit gehabt
Der Richter habe ja genügend Zeit gehabt, eine Verhandlung anzusetzen oder von Kassensturz mindestens eine schriftliche Stellungnahme zu verlangen. Mit Telefon, Fax und Mail hat der Richter die Möglichkeit, Kassensturz zu kontaktieren.
Eine «superprovisorische Verfügung» darf er nur dann aussprechen, wenn er absolut keine Zeit mehr hat, «Kassensturz» zuvor anzuhören. Das kam bisher noch nie vor.
Ein Firmenchef kann sich gegen kritische Medienberichte, die bei ihm oder bei seiner Firma grossen Schaden anrichten könnten, noch vor einer Publikation wehren. Er hat die Möglichkeit, zum Richter zu gehen, um die Ausstrahlung vorsorglich verbieten zu lassen.
Vorraussetzungen für «vorsorgliche Massnahme»
Im Eilverfahren erlässt der Richter dann eine sogenannte «vorsorgliche Massnahme». Das Fernsehen darf den Bericht bis auf weiteres nicht senden. Für diesen gerichtlichen Eingriff in die Medienfreiheit müssen allerdings mehrere Voraussetzungen zusammen erfüllt sein:
Erstens: Der Firmenchef muss glaubhaft darlegen, dass die drohende Persönlichkeitsverletzung für ihn einen besonders schweren Nachteil bedeutet. Zum Beispiel, dass das Fernsehen ihn als Gauner darstellen will.
Zweite Voraussetzung: Kein öffentliches Interesse. Doch wenn der Bericht nötig ist, um Konsumenten vor einer Firma zu warnen, muss der Richter die Ausstrahlung erlauben.
Beide Voraussetzungen müssen erfüllt sein. Trotz dieser Gesetzeslage treffen Richter immer wieder fragwürdige Entscheidungen.
Verfügung des Richters war gesetzeswidrig
So konnte «Kassensturz» seine Zuschauer lange Zeit nicht vor dem Reisebüro Sunshine Touristik warnen, das seine Kunden jahrelang hinters Licht führte. «Kassensturz» kannte viele Opfer, die mit derselben Masche reingelegt wurden. Mit einem angeblichen Geschenkgutschein, der nichts wert war.
Trotzdem hatte der Einzelrichter aus Bülach «Kassensturz» verboten, den Namen dieser Firma zu nennen. Ein superprovisorischer Entscheid, der einen zwei Jahre langen Prozess in Gang setzte.
Die Verfügung des Richters war gesetzeswidrig. Denn wenn «Kassensturz» seine Zuschauer vor einer luschen Firma warnen will, ist dies von öffentlichem Interesse.
Recht erst nach langer Zeit
Der Richter darf die Ausstrahlung deshalb nicht verbieten, sagt Strafrechtsprofessor Franz Riklin, die Berichterstattung sei gerechtfertigt.
Auch wenn «Kassensturz» nach einem langen Verfahren am Ende Recht bekommt und den Namen der Firma nennen darf, ist es für eine Berichterstattung vielleicht zu spät.
«Das ist faktisch eben eine Zensur», sagt Franz Riklin.