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Es sind Bilder, die schockieren: Deutsche Muttersauen liegen eingepfercht in engen Kastenständen und können sich nicht bewegen. Den Ferkeln werden die Schwänze abgeschnitten, die männlichen werden ohne Betäubung kastriert. Beides ist hierzulande verboten.
In der Schweiz gelten strengere Vorschriften für die Schweinehaltung: Die Muttersauen leben die meiste Zeit in grossen Gruppen, dürfen nur wenige Tage und nur in Ausnahmefällen während des Gebärens – dem sogenannten Abferkeln – fixiert werden. Dies entspricht dem Schweizer Minimalstandard.
Schweizer Schweinezüchter decken einen sehr grossen Teil der Nachfrage, sie produzieren meist über neunzig Prozent des in der Schweiz konsumierten Schweinefleischs. Daneben importierten Handel und Gastronomie im letzten Jahr rund 15‘000 Tonnen Schweinefleisch aus dem Ausland, das allermeiste aus Deutschland. Doch dort sind die Vorschriften weniger streng.
Abgezählt, aussortiert und brutal erschlagen
Während der ganzen Säugezeit dürfen deutsche Muttersauen in Kastenstände eingepfercht werden: Sie können keinen Nestbau betreiben, sich während des Abferkelns nicht mal umdrehen und auch danach keinen Kontakt zu den eigenen Jungen aufnehmen. Auch während der Deckungszeit dürfen in Deutschland die Muttersauen dreimal so lang fixiert werden wie in der Schweiz, bis zu 28 Tage. Dazu kommt, dass die Kastenstände sehr eng sind. Die Sauen können sich hier kaum bewegen, haben Druckstellen und können nicht einmal bequem liegen.
Und noch schlimmer: Der deutsche Fernsehsender ARD zeigt auf «Mainz Report» versteckte Aufnahmen, in denen Mitarbeiter mehrerer Zuchtbetriebe systematisch überzählige Ferkel an der Wand oder am Boden brutal erschlagen. Agronomin und Schweine-Expertin Tanja Kutzer von der Nutztierschutzorganisation KAG-Freiland nennt den schockierenden Grund: «Die Sau hat mehr Ferkel zur Welt gebracht, als sie Zitzen hat. Es ist zu teuer, diese überzähligen Ferkel aufzuziehen.» Diese Vorgehensweise sei auch in Deutschland illegal. «Züchter dürfen Ferkeln nur töten, wenn keine Aussicht auf Überleben besteht », so Kutzer. Aber auch dann müsste nach einem fachgerechten Betäubungsschlag unmittelbar die sofortige Entblutung erfolgen, damit das Ferkel auch wirklich tot ist und nicht noch länger leidet.
Wurfausgleich in der Schweiz problemlos
Auch in der Schweiz hat die Anzahl Ferkel pro Wurf in den letzten Jahren stark zugenommen. Eine Tötung von überzähligen Tieren gebe es hier allerdings nicht, versichert Meinrad Pfister, Präsident des Schweizer Schweinebauernverbandes Suisseporcs: «Wir richten das Zuchtziel seit Jahren auf die aufgezogenen Ferkel. Ausserdem lassen wir die Muttersauen in grösseren Gruppen gleichzeitig abferkeln. So können wir Ferkel eines zu grossen Wurfs einer anderen Muttersau geben.»
Schweine-Expertin Tanja Kutzer besucht zusammen mit «Kassensturz» Meinrad Pfisters Zuchtbetrieb. Sein Stall erfüllt den BTS- und RAUS-Standard des Bundes. Das heisst seine Muttersauen haben Auslauf und mehr Einstreu. KAG-Freiland-Agronomin Kutzer kommt zum Schluss: Daran ist in deutschen Zuchtbetrieben nicht zu denken. «Auch von den Minimalanforderungen sind die deutschen Betriebe weit entfernt.»
«Die Gesetze werden eingehalten»
Insgesamt ist der Schweinefleischkonsum in der Schweiz rückläufig. Doch der Import von Schweinefleisch hat in den letzten Jahren ausserhalb der Zollkontingente zugenommen. Da die ausländischen Preise derzeit sehr tief sind, lohnt sich der Import für die Händler.
Fast alle Detail- und Gastrohändler haben Importschweinefleischprodukte im Angebot. Zu den grössten Importeuren von deutschem Schweinefleisch gehören zum Beispiel die Firma Ernst Sutter und der Migros-Betrieb Micarna.
Die Firma Ernst Sutter schreibt «Kassensturz», die Bilder seien schockierend und versichert, die erwähnten deutschen Betriebe gehörten nicht zu ihren Lieferanten. Micarna erklärt, man verurteile die Tierschutzverstösse in Deutschland und verspricht zudem: Ab 2015 werde die Migros auch ausländische Schweinefleischprodukte nach Schweizer Tierschutzstandards anbieten. Die Importhandelsfirma GVFI, welche viele Importe abwickelt, teilt «Kassensturz» mit, ihre Zulieferbetriebe würden keine überzähligen Ferkel töten. GVFI sei zudem bestrebt, die Tierwohlanforderungen laufend zu verbessern.