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Konsum Tomaten aus Konflikt-Gebiet: Detailhändler verschleiern Herkunft

Verschwendung von Wasserreserven und Unterdrückung des Volkes: Tomaten und Melonen in Schweizer Detailhändler-Regalen stammen teilweise aus der Westsahara. Einige Detailhändler verschleiern dies jedoch auf der Verpackung.

Auf der Verpackung der Tomaten steht unter Herkunft «MAROKKO, Dakhla». Tatsache ist: Dakhla liegt nicht in Marokko, sondern in der Westsahara. Und: Es handelt sich um ein politisch und ökologisch äusserst umstrittenes Anbaugebiet. Dennoch gelangen Tomaten und Melonen aus dieser Region in unsere Regale.

Nahaufnahme Verpackung mit Aufschrift «Ursprung: MAROKKO/Dakhla»
Legende: Diese Deklaration ist nicht korrekt. SRF

Die Westsahara wird seit 40 Jahren von Marokko besetzt. Die Einwohner, die Sahouris, werden unterdrückt, leben unter schwierigsten Bedingungen in Flüchtlingslagern. Sie leben in Armut und müssen tatenlos zusehen, wie ihr Land von den Besatzern ausgebeutet wird. Diese Hors-Sol-Landschaft ist so gross wie mehrere Dutzend Fussballfelder. Mitten in der Wüste – ein ökologischer Unsinn.

Gemüsehandel unterstützt Besatzungsmacht

Ein Mann mit Turban schleppt Wassereimer durch eine Strasse mit zerfallenen Hütten.
Legende: Die Sahouris leben unter miesen Bedingungen. SRF

Sylvia Valentin, Kampagnen-Koordinatorin von Terre des Hommes Schweiz, ist darüber alles andere als glücklich: «Der Handel dieser Produkte unterstützt ganz klar die Besatzungsmacht Marokko und die Aufrechterhaltung des Status Quo.» Dies sei eine inakzeptable Situation, die seit 40 Jahren bestehe. Denn das internationale Völkerrecht besagt: Wer in besetzten Gebieten Anbau betreibt, muss zuvor die Bevölkerung befragen und sie am Gewinn beteiligen. Und auch der Schweizer Bundesrat hat sich 2013 dazu geäussert: «Eine Angabe Marokko als Herkunftsland für Waren, die aus dem Gebiet der Westsahara stammen, ist nicht zulässig.»

Detailhändler verschleiern fragwürdige Herkunft

Weitere Informationen:

Die Grossverteiler scheint’s nicht zu kümmern. Im Februar 2016 deklarieren Coop und Denner Tomaten aus der Westsahara noch immer falsch mit Marokko. Obwohl sie wissen, dass die Früchte aus der Westsahara stammen. Migros importiert mit Melonen ebenfalls Früchte aus dem Konflikt-Gebiet, deklariert sie aber korrekt mit Westsahara.

Gemäss Terre des Hommes Schweiz stammen aber etwa 40 Prozent der mit der Herkunftsbezeichnung Marokko exportierten Tomaten in Wirklichkeit aus der Westsahara. Bei Cherry-Tomaten ist es über die Hälfte.

Westsahara-Tomaten tauchen in Statistik nicht auf

«Kassensturz» besucht die eidgenössische Zollverwaltung mit den Cherry-Tomaten von Coop. Walter Pavel erklärt die irreführende Deklaration «MAROKKO Dakhla» wie folgt»: «Im konkreten Fall ist der Grund, dass Marokko die Westsahara nicht als eigenes Land anerkennt. Für Marokko ist die Westsahara Teil von Marokko. Deshalb haben alle Waren aus der Westsahara Ursprung Marokko.» Die Importeure müssten sich bei der Einfuhr der Ware auf die Angaben der Zollpapiere abstützen und dort stehe nun mal Marokko drin. Laut Statistik wurde 2015 keine einzige Tomate aus der Westsahara eingeführt. Die Schweizer Aussenhandelsstatistik wird verfälscht.

Coop reagiert – andere nicht

Immerhin: Der erste Detailhändler reagiert nun. Coop schreibt «Kassensturz» dazu: «Im ökologischen Bereich entsprechen die Bedingungen nicht mehr unserer Richtlinie ‹Nachhaltige Beschaffung›, da für die Bewässerung auf fossile Grundwasservorkommen zurückgegriffen wird. Seit der Überarbeitung der Richtlinie im letzten Herbst ist dies explizit verboten. Deshalb haben wir uns entschieden, unsere Beschaffung Schritt für Schritt auf andere Provenienzen umzustellen. Ab nächstem Jahr werden die Cherry-Rispen-Tomaten aus Marokko (Agadir) stammen.»

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Andere Händler folgen diesem Beispiel nicht. Denner erklärt «Kassensturz», dass Melonen sowie vereinzelt Cherry- und Rispentomaten während einer gewissen saisonalen Zeitspanne aus der Westsahara stammen würden. «Deklariert sind diese Produkte mit Marokko. Eine Deklaration der Herkunftsregion wird intern geprüft.»

Volg schreibt auf Anfrage von «Kassensturz», Früchte und Gemüse aus der Westsahara würden nur in Ausnahmefällen geführt. Diese seien entsprechend mit dem Hinweis «Westsahara» deklariert.

Migros will auch weiterhin aus Westsahara beziehen

Migros bezieht zwei Prozent der verkauften Melonen aus der Westsahara und will das weiterhin tun. Die Melonen seien mit «Westsahara» deklariert. «Kundinnen und Kunden können so selber wählen, aus welchen Ländern sie Produkte kaufen wollen», schreibt die Migros der Sendung «Kassensturz». Mit Boykotten erreiche man erfahrungsgemäss wenig. Es gebe keine offizielle Einschränkung für Produkte aus der Westsahara, betont Migros. Migros beziehe auch aus «heiklen Ländern, solange sich die Lieferanten an die Anforderungen bezüglich Arbeitsbedingungen halten».

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