Migros‘ «Pouletschenkel extra saftig» sehen aus wie reines Fleisch. Tatsächlich bestehen sie aber nur zu 88 Prozent aus Fleisch. Der Rest – immerhin 12 Prozent des Gewichts - sind Wasser, Salz, Glucosesirup, Säureregulator, Stabilisatoren und Antioxidationsmittel.
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Es ist nur ein Beispiel von vielen. Dem Fleisch sehen es die Konsumenten nicht an. Doch gefrorenes Poulet ist häufig aufgepumpt. Es enthält nur zwischen 80 und 90 Prozent Fleisch und daneben Wasser, Salz und verschiedene Zutaten und Zusatzstoffe.
Dahinter steckt eine Maschine, die zwar weit verbreitet ist, welche aber die wenigsten Konsumenten kennen - ein so genannter Tumbler. Das Gerät besteht vor allem aus einer grossen Trommel, in der Metzger Fleisch mit einer Würzlake vermengen.
Dann dreht sich die Trommel je nach gewünschtem Produkt stundenlang. Im Innern wird die Lake regelrecht ins Fleisch einmassiert, erklärt Felix Kesselring, Ausbildner am Ausbildungszentrum der Schweizerischen Fleischwirtschaft in Spiez.
Fleisch-Massage im Tumbler
«Durch die Bewegung des Tumblers, zieht das Wasser ein in das Fleisch. Das führt dazu, dass alles gut verteilt ist: Salz, Gewürze, Flüssigkeit. Und dass das Fleisch nachher auch eine gewisse Mürbe hat. Also eher zarter wird», so Felix Kesselring. Im Tumbler saugt sich das Fleisch mit Lake voll.
Es gibt Programme, mit denen Metzger unterschiedlichste Produkte herstellen. Häufig etwa Schinken. Aber auch gefrorenes Poulet ist häufig im Tumbler vorbehandelt.
Das Problem: Bei Schinken etwa wissen Kunden, dass das Fleisch behandelt ist. Anders beim Poulet. Bei Poulet-Produkten erwarten Kunden reines Fleisch, doch sie werden getäuscht. Denn Detailhändler deklarieren das Aufspritzen von gefrorenem Poulet schlecht.
Verstoss gegen Branchen-Regeln
Zum Beispiel Denners «Gefrorenes Pouletbrust-Geschnetzeltes». Das Poulet ist mit Lake aufgespritzt. Kunden erfahren dies aber nur indirekt durch die Zutatenliste im Kleingedruckten. Auf der Vorderseite fehlt jeder Hinweis.
Ebenso bei Coops «Pouletbrust-Geschnetzeltem roh». Das Fleisch ist zwar nicht gegart, aber es ist im Tumbler gewälzt und damit vorgewürzt. Ein klarer Hinweis im Namen fehlt. Das Produkt führt Kunden in die Irre.
Das widerspricht den Qualitätsleitsätzen des Fleischfachverbands, die im April herausgekommen sind. Direktor Ruedi Hadorn erklärt, gemäss Gesetz müssten Detailhändler solche Produkte einfach als Fleischzubereitung deklarieren.
Der Verband empfiehlt aber eine deutlichere Deklaration: «Wir empfehlen in den neuen Qualitätsleitsätzen, dass man die Vorbehandlung separat deklarieren soll. Im Produktenamen und in der Sachbezeichnung. Das kann zum Beispiel heissen: Geflügelgeschnetzeltes mit Salzlake».
Irreführende Werbung
Eine klare Deklaration im Namen: Auch Migros hält sich nicht an diese Empfehlung. Sie wirbt zudem mit irreführenden Aussagen: Die «Optigal Minifilets» seien: «100% garantiert zart». So steht es auf der Vorderseite.
Die Poulet-Schenkel seien «extra saftig», so steht es direkt unter dem Titel. Kunden ahnen nicht, dass solche Werbeaussagen nichts mit der Fleischqualität zu tun haben, sondern nur mit der Vorbehandlung in Würzlake.
Migros sagt dazu, man sei bisher davon ausgegangen, dass die Produkte klar deklariert seien. Dennoch will man die Verpackungen von vier Produkten ändern, sagt Mediensprecherin Christine Gaillet: «Auf den Herbst werden wir die Produkte transparenter anschreiben.»
Das vorbehandelte M-Budget-Pouletgeschnetzelte wird dann zum «Pouletgeschnetzelten mit Würzlake», in gleicher Schriftgrösse und in gleicher Schriftart.
Denner ändert nichts
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Coop hält fest, es sei marktüblich, dass tiefgekühlte geschnetzelte Fleischprodukte mit Salz behandelt werden, damit das Fleisch zart und schmackhaft bleibt. Trotzdem soll künftig auf der Vorderseite deklariert werden, dass es sich um «Poulet Geschnetzeltes in Salzlake» handele. Die alten Verpackungen braucht Coop aber vorher noch auf.
Denner hingegen ändert nichts. Die Qualitätsleitsätze des Fleischfachverbands hätten «empfehlenden Charakter». Wasser und Salz seien zudem in der Zutatenliste angegeben, die Deklaration deshalb nicht irreführend ist.