Die Mitteilung von Coop von Mitte Februar liess aufhorchen. «Coop setzt auch im Ausland auf hohe Tierwohl-Standards» lobte sich der Detailhändler: «Truten dürfen auch im Ausland an die frische Luft.» Ab sofort würden die ausländischen Truten-Produzenten ihre Tiere «unter vergleichbaren Bedingungen wie in der Schweiz halten.»
Konkret verpflichtet Coop seine ausländischen Produzenten, neu unter dem Standard «Besonders Tierfreundliche Stallhaltung» (BTS) zu produzieren. Auch Migros liess vor rund zwei Jahren Ähnliches verlauten.
Ein Schritt in die richtige Richtung
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Grundsätzlich sei das ein wichtiger Schritt, meint Hans-Ulrich Huber vom Schweizer Tierschutz STS: «In der konventionellen ausländischen Trutenmast sind oft Zehntausende von Tieren auf engstem Raum zusammengepfercht. Diese sehen kein Tageslicht, kommen nie ins Freie – ein Graus.»
Über diese Zustände hat «Kassensturz» wiederholt berichtet (siehe Linkbox). Dass Migros und Coop nun gemeinsam mit ausländischen Bauern tierfreundlichere Ställe bauen, sei sicher eine Verbesserung für die Tiere, so Huber.
«Das ist Augenwischerei»
Doch die Behauptung von Coop, ausländische Truten würden neu unter vergleichbaren Bedingungen leben wie Schweizer Truten, sei falsch, sagen sowohl der STS wie auch die Geflügelexpertin Nadja Brodmann vom Zürcher Tierschutz: «Diese Aussage ist eine Augenwischerei. Die Truten in der Schweiz haben Auslauf ins Freie, was beim importierten Trutenfleisch ganz und gar nicht der Fall ist.»
Für die Geflügelexpertin Brodmann ist klar: «Schweizer Trutenfleisch ist immer noch tierfreundlicher als das importierte.» Denn Schweizer Trutenfarmen produzieren alle nach dem wesentlich strengeren «RAUS»-Standard.
Ausland kennt keine Haltungs-Beschränkungen
Dazu kommt ein zweiter Unterschied: Dank der sogenannten «Höchstbestand-Verordnung» dürfen auf Schweizer Trutenfarmen maximal 4‘800 Tiere leben. Im Ausland gibt es keine solchen Beschränkungen, deshalb leben oft bis zu 20‘000 Truten in einem Stall. Mit entsprechenden Folgen für Tiere und Umwelt.
Zu den Vorwürfen der Tierschutzorganisationen sagt ein Coop-Sprecher: «Wir erachten den Schritt als wichtigen Meilenstein. Die Zustände sind deutlich besser, als sie früher waren. Für uns ist das auch nicht der Schlusspunkt.» Coop werde sich auch weiterhin für Verbesserungen beim Tierwohl einsetzen.
Migros garantiert tierfreundlichere Haltung bei gesamten Sortiment
Migros nimmt in ihrer Antwort auch die Konsumenten in die Pflicht: «Für uns geht es darum, dass der Konsument die Wahl hat. Wenn er sich für ein Produkt aus der Schweiz entscheidet, ist der Tierschutzstandard tatsächlich höher. Uns ist es aber wichtig, dass die Migros-Kunden beim gesamten Sortiment die Gewissheit haben, dass die Tiere anständig gehalten werden. Vom M-Buget Trutenschinken bis hin zum Schweizer Trutenschnitzel.»
Kritik an Aldi, Lidl, Denner und Gastrokanal
Trotz aller Kritik nimmt Hans-Ulrich Huber vom STS die beiden grossen Detailhändler in Schutz: «Migros und Coop sind im Moment die einzigen, die bei Import-Truten einen höheren Tierschutz-Standard durchsetzen. Allen anderen wie Aldi, Lidl und Denner, aber auch die Gastronomie, wo die Hälfte des Trutenfleischs konsumiert wird, ist dies völlig einerlei. Für sie gilt: Hauptsache billig!»
Ein Umdenken in der Branche?
Auf Anfrage des SRF-Konsumentenmagazins «Espresso» schreiben Lidl und Denner, man prüfe derzeit, ob man bei ausländischen Produzenten auf den tierfreundlicheren Standard umstellen könne. Aldi schreibt, der ausländische Produzent habe ein eigenes Tierwohl-Programm ins Leben gerufen. Und Prodega, welche Restaurants, Hotels und Kantinen beliefert, schreibt, man habe seit letztem August immerhin auch einen kleinen Anteil an Schweizer Fleisch im Angebot.
Mit gutem Beispiel gehen übrigens Spar und Manor voran. Dort stammen mindestens drei Viertel der Trutenprodukte aus der Schweiz. Bei Migros ist es ein Fünftel. Bei Coop hingegen sind es nur gerade zwei Prozent.