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Konsum Wieder Pferde-Quälfleisch im Verkauf

Schweizer Importeure und Detailhändler behaupten weiterhin, ihr Pferdefleisch aus Übersee stamme aus unbedenklicher Produktion. Tierschützer widersprechen und legen erneut entlarvendes Bildmaterial vor. «Kassensturz» sagt, welche Detailhändler das Tierwohl ernst nehmen und welche nicht.

Bisherige Kassensturz-Beiträge zum Pferdefleisch-Skandal

Der Aufschrei war gross, als «Kassensturz» im Februar 2013 die Recherchen des Tierschutzbundes Zürich publik machte. ( zum Beitrag ). Sie belegten Quälereien auf Pferdefarmen in Kanada, Argentinien und Mexiko.

Das Fleisch landet auch auf Schweizer Tellern. Die Tierschützer recherchierten die Lieferkette von den Auktionen bis zu den Schlachthöfen und prangerten den tierquälerischen Umgang mit den Pferden an.

23 Stunden lang eingepfercht im Transporter

Ein Jahr danach legt der Tierschutzbund Zürich seine aktuellen Recherchen vor. Über 2000 Tonnen Pferdefleisch importierten die Händler 2013 aus Kanada in die Schweiz. Kanada ist das Hauptimportland für Pferdefleisch in der Schweiz. Besonders im Visier hatten die Tierschützer die Schlachthöfe Bouvry Exports in Alberta und Viande Richelieu in Québec.

Da in den USA seit 2007 keine Schlachthöfe mehr existieren, werden viele ausrangierte Pferde dort ersteigert und später in die Nachbarländer Mexiko oder Kanada verfrachtet. Die Bilder, die «Kassensturz» veröffentlicht, zeigen: Nicht tiergerechte Haltungsbedingungen bereits in den amerikanischen Auktionshäusern und Sammelstellen sowie tierquälerische Transportzeiten.

Der Tierschutzbund Zürich filmte in einem Video vom Januar 2014 einen Tiertransport von Pennsylvania in den Schlachthof Viande Richelieu in Kanada: 23 Stunden habe der Transport gedauert. Während der Fahrer sich Ruhepausen gönnte, seien die Tiere in dieser Zeit weder gefüttert, getränkt noch ausgeladen worden.

Das entspricht keinesfalls den Schweizer und den EU-Tierschutznormen. Der Schweizer Hauptimporteur GVFI International teilt «Kassensturz» mit: «Eine Transportdauer von 23 Stunden können wir uns ohne ausserordentliche Zwischenfälle und aufgrund der Distanz zwischen Pennsylvania und Richelieu nicht plausibel erklären.»

Eigene Kontrollen hätten eine effektive Fahrtzeit von 14 Stunden ergeben; in neuen Richtlinien schreibt die GVFI künftig eine maximale Fahrtzeit von 10 Stunden vor, mit einer Pause alle vier Stunden, in denen die Pferde versorgt werden sollen.

Verweste Kadaver inmitten der Pferde

Auf qualvolle Bilder sind die Zürcher Tierschützer erneut auf dem Gelände des Mast- und Schlachtbetriebs Bouvry Exports gestossen. Videos aus diesem Betrieb sorgten bereits vor einem Jahr für Aufruhr.

Die Pferde würden dort nach wie vor «krank gemästet», sagt der Tierschutzbund auf Grund von aktuellen Recherchen vom Oktober 2013. Offenbar fehle eine tägliche Kontrolle und die medizinische Versorgung sei mangelhaft. Das zeigen Aufnahmen von Pferden mit unbehandelten Hufen und Fehlstellungen.

Abseits auf einer Weide entdeckten die Tierschützer ein Pferd mit einer Druse, einer hochansteckenden Infektion. In der grössten Mastanlage, dem sogenannten Primefeedlot entdeckten die Tierschützer ein Pferd und ein Fohlen, beide stark verwest.

Das deute daraufhin, dass offenbar tagelang kein Arbeiter das Gehege kontrolliert habe. Die Tierschützer verlangen einen totalen Importstopp von Pferdefleisch aus Übersee, denn auch die Haltungsbedingungen in Südamerika seien sehr schlecht.

Migros baut eigene Mastanlage

Fleischprodukte
Legende: Ein Pferdefleisch-Produkt. SRF

Genau aus dieser Mastanlage beziehen in der Schweiz etwa Spar und Migros ihr Fleisch. Im «Kassensturz» nimmt die Migros Stellung: Man habe die Missstände erkannt im letzten Jahr und reagiert. Migros lässt auf dem Gelände von Bouvry Exports eine eigene Anlage bauen - die nach strengeren Richtlinien geführt werden soll.

Der Grossverteiler rechnet ab Herbst mit ersten Fleischverkäufen von dort. «Ein totaler Boykott war für uns nie eine Option. Wir wollen gemeinsam mit dem Produzenten etwas verändern», sagt Migros Sprecher Urs Peter Naef im «Kassensturz».

Spar hat vom Lieferanten Skin Packing eine Stellungnahme verlangt. Der Importeur mit Sitz in Gland weist die Kritik der Tierschützer gegenüber «Kassensturz» vehement zurück. Die Feedlots würden täglich überwacht und bei eigenen Kontrollen durch Skin Packing habe man nie solche Zustände angetroffen.

Hauptimporteur: «Keine leidenden Pferde»

Der Schweizer Hauptimporteur GVFI International bezieht aus beiden erwähnten Schlachthöfen sein Pferdefleisch. Man habe bei eigenen Kontrollen keine Abweichungen von den Tierschutznormen festgestellt und halte weiterhin an seinen Produzenten fest.

Bisherige Beiträge:

«Wir unterstützen unsere Lieferanten dabei, indem wir weiterhin Pferdefleisch beziehen. Diese Unterstützung können wir mit gutem Gewissen vertreten, weil wir bei unseren Kontrollen weder gestresste, verletzte noch leidende Pferde gesehen haben», so die Stellungnahme von GVFI.

Aldi: Alle gesetzlichen Anforderungen erfüllt

Künftig soll die Produktion von Pferdefleisch eine unabhängige Organisation überprüfen. Diese zertifizierten Kontrollen sollen ab Juli 2014 durchgeführt werden. Zudem erstellt die GVFI Richtlinien, die unter anderem einen besseren Witterungsschutz und weniger lange Transportzeiten vorschreiben.

GVFI beliefert auch «Aldi Suisse». Der Detailhändler führt Pferdefleisch aus Kanada weiterhin im Angebot, weil «alle länderspezifisch gesetzlichen Anforderungen erfüllt werden und es zu keiner tierquälerischen Handlungen von der Sammelstelle bis hin zur Schlachtung kommt.»

Denner: Vorläufig kein Pferdefleisch mehr im Angebot

Anders Denner, der sein Pferdefleisch unter anderem auch via GVFI bezieht. Dieser Detailhändler schreibt «Kassensturz»: Aufgrund der neuen Faktenlage haben wir uns entschlossen, bis zum Erhalt der Zertifizierung durch ein unabhängig anerkanntes Prüfinstitut kein Pferdefleisch aus den genannten Schlachthöfen mehr anzubieten.»

Coop: Nur noch Pferdefleisch aus Frankreich

Coop bezieht seither Fleisch nur noch aus Frankreich. Die Zürcher Tierschützer haben den Schlachthof im französischen Jura besucht und haben keine Verstösse gegen EU oder Schweizer Recht entdeckt.

Seit der Publikation der ersten Recherchen des Tierschutzbund Zürichs im Februar 2013 führen die Detailhändler Lidl und Volg kein Pferdefleisch mehr in ihrem Sortiment.

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