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Kritik an Werbeaktion «Sympany betreibt verdeckte Risikoselektion»

Das Wichtigste in Kürze

  • Wer bei der Krankenkasse Sympany eine Grundversicherung abschliesst, erhält einen 100-Franken-Gutschein zum Beispiel für Zalando. Bedingung: Der Vertrag muss online abgeschlossen werden.
  • Damit betreibe die Kasse «verdeckte Risikoselektion», sagt der Berner Gesundheitsökonom Heinz Locher. «Ältere, gebrechliche Leute werden kaum online einen wichtigen Vertrag abschliessen.»
  • Zudem könne der Gutschein als Rabatt angesehen werden, da Kunden als Gegenleistung für den Online-Abschluss einen Geldwert erhalten. Beides, Risikoselektion und Rabatt, wären in der Grundversicherung so nicht erlaubt.
  • Die Krankenkasse sagt, es handle sich weder um Risikoselektion noch um einen Rabatt. Auch ältere Personen nutzten heute das Internet und beim Geldwert handle es sich um ein einmaliges Werbegeschenk, nicht um eine dauerhaft günstigere Prämie.
  • Das Bundesamt für Gesundheit (BAG) stellt nach eigenen Angaben eine Zunahme solcher Aktionen fest. Man prüfe derzeit, ob diese «mit den geltenden rechtlichen Bestimmungen konform sind».

«Online abschliessen und Gutschein sichern»: So ist die Krankenkasse Sympany derzeit auf Kundenfang. Der Deal: Neukunden schliessen online einen Vertrag ab und erhalten im Gegenzug einen Gutschein im Wert von bis zu 150 Franken. Verschenkt werden etwa Gutscheine für den Online-Händler Zalando, für Streamingdienste oder auch für die Detailhändler Migros und Coop.

«Das ist ein No-Go»

Nun wäre eine solche Aktion wohl kaum der Rede wert, wenn es sich um ein Willkommensgeschenk handeln würde im Zusammenhang mit dem Abschluss einer Zusatzversicherung. Allerdings gibt es auch für den Online-Abschluss einer Grundversicherung immerhin noch einen 100-Franken-Gutschein.

Für den Berner Gesundheitsökonomen Heinz Locher ist die Aktion daher ein «No-Go». Denn durch die Bedingung, dass der Vertrag online abgeschlossen werden muss, betreibe die Krankenkasse verdeckte Risikoselektion: «Es kann davon ausgegangen werden, dass der durch die Aktion privilegierte Internetzugang besonders gebrechlichen oder älteren Versicherten nicht oder doch weniger vertraut ist als ‹fitten› jungen Personen.»

Internetzugang als Kriterium?

Dass heute fast jeder Haushalt einen Internetzugang hat – und somit jeder und jede grundsätzlich einen Online-Vertrag abschliessen kann – lässt Heinz Locher nicht als Argument gelten: «Es ist ein Unterschied, ob man einfach zwischendurch seinen Enkeln eine Mail schreibt und ein wenig surft oder ob man einen wichtigen Vertrag abschliesst mit entsprechenden Folgekosten», sagt Locher im SRF-Konsumentenmagazin «Espresso». Diese Hemmschwelle sei gerade bei älteren Personen immer noch sehr hoch.

Kurz: Für den Gesundheitsökonomen ist offensichtlich, dass es Sympany mit der Aktion auf eher jüngere, online-affine Personen abgesehen hat. Kunden also, die potentiell weniger Kosten verursachen. Eine solche Risikoselektion ist in der Grundversicherung allerdings nicht erlaubt.

«Angebot gilt für alle»

Auf die Kritik angesprochen, heisst es bei Sympany: «Wir betreiben keine Risikoselektion. Das Angebot gilt für alle – unabhängig vom Alter», sagt Mediensprecherin Jacqueline Perregaux. Es sei «eine Mär», dass ältere Personen das Internet nicht nutzten. «Wir machen gegenteilige Erfahrungen: Unsere Online-Kanäle wie etwa unsere App werden von älteren Personen genauso genutzt wie von jüngeren.»

Und trotzdem: Gutscheine für Streaming-Dienste und Zalando? Es scheint offensichtlich, dass Sympany nicht in erster Linie 75-Jährige ansprechen will. Dazu sagt die Krankenkasse, das Gutschein-Angebot sei sehr breit, man könne auch einen Migros- oder Coop-Gutschein wählen. Somit sei für jeden etwas dabei. Zudem gelte seit der Einführung des verfeinerten Risikoausgleichs die alte Gleichung «junge Versicherte = gute Risiken» nicht mehr. Es könne für eine Krankenkasse interessanter sein, 75-Jährige anstatt Junge anzusprechen, weil sie für diese Versicherten höhere Zahlungen aus dem Risikoausgleich erhielten.

Gutscheine sind «Werbegeschenk»

Heinz Locher sieht nebst der mutmasslichen Risikoselektion noch ein weiteres Problem: Weil Neukunden als Gegenleistung für einen Online-Abschluss einen Geldwert erhalten, könne man auch von einem Rabatt sprechen. «Das ist zwar eine indirekte Rabattierung, aber dennoch ein Rabatt.» Rabatte sind jedoch in der Grundversicherung nur beim Abschluss alternativer Versicherungsmodelle erlaubt – etwa bei der Wahl eines Hausarzt- oder Telemedizin-Modells.

Auch hier widerspricht Sympany: «Das ist kein Rabatt», sagt Sprecherin Jacqueline Perregaux. Es handle sich um ein Werbegeschenk, finanziert aus dem Werbebudget des Unternehmens. Werbung in der Grundversicherung sei erlaubt, solange sie nicht unverhältnismässig sei. «Und 100 Franken sind nicht unverhältnismässig.»

Bund will Rechtmässigkeit prüfen

Dass solche Aktionen zumindest umstritten sind, zeigt auch die Reaktion des zuständigen Bundesamts für Gesundheit (BAG). «Wir haben beobachtet, dass solche Geschenke – in welcher Form auch immer – in letzter Zeit tendenziell zugenommen haben.» Das BAG prüfe derzeit, inwieweit solche Aktionen der Krankenkassen mit den geltenden rechtlichen Bestimmungen konform seien. Zur konkreten Aktion der Krankenkasse Sympany äusserte sich das BAG nicht.

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