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19.09.06: Manipulierte Ärzte-Gutachten: verkaufte Patienten
Aus Kassensturz vom 19.09.2006.
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Gesundheit Manipulierte Ärzte-Gutachten: verkaufte Patienten

Das Ärztliche Begutachtungsinstitut ABI in Basel soll Expertisen von Gutachtern eigenmächtig abgeändert haben.

Für Konsumentinnen und Konsumenten ist ein ärztliches Gutachten enorm wichtig: Es regelt, wie viel Geld sie im Schadenfall erhalten sollen. In schwierigen medizinischen Fällen bestellt die Invalidenversicherung oder eine andere Versicherung die Gutachten bei einem Gutachter-Institut. Dieses wiederum beauftragt spezialisierte Ärzte, den betreffenden Patienten zu untersuchen. Die Spezialisten schreiben zu Handen des Gutachterinstituts ein Untergutachten, welches das Institut zu einem Schlussgutachten zusammenstellt und dann an die Versicherung leitet. Solche Schlussgutachten sind die Grundlage für die Berechnung des Versicherungsanspruchs.

Ausstrahlung per Gericht verboten

Bereits im Juni wollte Kassensturz einen Beitrag über das

Ärztliche Begutachtungsinstitut in Basel (ABI) senden. Doch das Institut konnte die Ausstrahlung des Beitrags vorübergehend per Gericht verbieten. Der Vorwurf an das ABI: ABI ändere Expertisen von Gutachtern eigenmächtig ab - ohne Rücksprache mit den Experten. In der Regel geht es dabei um die Arbeitsunfähigkeit. Ein Beispiel: Bis letzten Sommer erhielt eine Schleudertrauma-Patientin eine volle IV-Rente. Dann wurde der Fall beim ABI neu abgeklärt. Die Abweichung zwischen Schlussgutachten und Untergutachten ist auffällig: Im Schlussgutachten der ABI steht, dass die Patientin zu 80 Prozent arbeitsfähig sei, im Untergutachten war von 50 Prozent die Rede. Als Folge der 30 Prozent Unterschied erhält die Frau keine IV-Rente mehr.

Für den erfahrenen Gutachter und Leiter des Qualitätszirkels der IV-Gutachterärzte Jörg Jeger ist klar: Ein Institut darf abweichende Meinungen der Spezialisten nie eigenmächtig ändern. "Abweichungen gibt es zwar häufig, aber dann nehmen wir Rücksprache mit dem betreffenden Experten. Entweder überzeugt er mich oder umgekehrt. Aber wir lassen ein Papier immer erst dann raus, wenn wir eine gemeinsame Lösung gefunden haben", sagt Jeger.

Weitreichende Konsequenzen

Konsumentinnen und Konsumenten sind dem Urteil von ärztlichen Gutachten ausgeliefert. Denn die Gutachten entscheiden über die Höhe der Versicherungsleistung. Die Ungereimtheiten bei der ABI haben deshalb für Unfallopfer und Patienten weitreichende Konsequenzen, sagt der Zürcher Patientenanwalt Felix Rüegg. "Konkret heisst das, dass man bei jedem Gutachten schauen muss, ob es manipuliert worden ist, und ob die Betroffenen um ihre Ansprüche gebracht wurden. Da müssen unter Umständen hunderte Fälle neu aufgenommen werden", sagt Rüegg. Mit eigenmächtig abgeänderten Gutachten habe das ABI, so der Vorwurf, unter Umständen dutzende Patienten um Versicherungsgelder in Millionenhöhe gebracht.

Der Invalidenversicherung sind bisher keine Reklamationen bekannt. Und Simon Lauper, der Leiter des ABI, stellt klar: „Die Vorwürfe, es seien Gutachten in unkorrekter oder gar strafbarer Art und Weise manipuliert worden, sind völlig aus der Luft gegriffen, entbehren jeder Grundlage und wurden offenbar auch wider besseres Wissen erhoben.“

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